Star-Historiker Niall Ferguson gab der Sonntagszeitung ein Interview, dass viele Beamte im Aussendepartement und Politiker von links bis rechts lesen sollten.

Der amerikanische Starhistoriker empfiehlt der Schweiz einen vorsichtigen, behutsamen Umgang mit der Neutralität. «Die Schweizer Unternehmen werden dank der Neutralität auch in Zukunft etwas mehr Spielraum haben als jene der Nato- und EU-Länder, zum Beispiel bei Geschäften mit China. Der Korridor, in dem sich die Schweiz bewegen kann, ist allerdings eng geworden. Wenn sie vorsichtig agiert, ist der Neutralitätsstatus für die Schweiz aber noch immer ein Vorteil», so Ferguson.

Gleichzeitig korrigiert der Geschichtswissenschaftler das Bild von vielen im Westen über die Ukraine. Ferguson: «Bei uns dominiert die idealistische Erzählung: Die Ukrainer führen einen heldenhaften Kampf für Freiheit, Unabhängigkeit und Demokratie gegen ein böses Imperium.»

Aus seiner Perspektive gebe es aber mit dieser Sichtweise zwei Probleme: Die Ukraine sei vor dem Krieg weit davon entfernt gewesen, eine ideale Demokratie zu sein. «Und von US-Politikern hört man oft, was für eine grosse Chance dieser Krieg für die USA darstellt, um die russische Armee massiv zu schwächen, ohne eigene Soldaten einsetzen zu müssen, und dies erst noch zu vergleichsweise geringen Kosten. Für sie ist es also sehr wohl eine Art Stellvertreterkrieg.»

Sicher ist: mit diesen Positionen zur Schweizer Neutralität und zum Konflikt in Osteuropa würde man von der aktuell den Ton angebenden Elite in der Politik, Verwaltung und Medien rasch zum ewiggestrigen Nationalisten und Putin-Freund abgestempelt.

Ferguson macht das Tor auf, die eigenen Überzeugungen zu überdenken.

Die 3 Top-Kommentare zu "Star-Historiker Niall Ferguson sagt, weshalb die Schweiz an der Neutralität festhalten soll. Und weshalb der Westen ein naives Bild vom Krieg in der Ukraine hat"
  • beograd

    Der Korridor, in dem sich die Schweiz bewegen kann, ist allerdings eng geworden...., weil die Amerikaner der inkompetenten und schüchternen Regierung in Bern eine „Solidaritätskette“ um den Hals gelegt haben. Wenn mein Urgrossvater das sehen würde, würde er sich für immer im Grab umdrehen. Der BR soll dringend und gratis als Kolektive zum Augenarzt, damit sie die Zukunft sehen können....

  • DeSu

    Mal schauen, ob unsere Eliten und Medien bereit sind, von ihrem gutmenschlichen Selbstbild abzurücken und der Wirklichkeit ins Auge zu sehen; der eigenen wie auch der geopolitischen. Das Aufräumen mit Selbsttäuschungen ist demütigend und nicht jeder bringt so viel Ehrlichkeit und Einsicht auf.

  • Dietger Pohl

    Der "Westen" hat kein, irgendwie, naives Bild über die Zustände und Mächte der Ukraine. Der Westen, hat Lei(d)medien, go figure ..