Es gibt sie, die Staatenlenker im Westen, die glauben, von ihrem persönlichen Einsatz hänge das Weltgeschehen ab.

Die New York Times hat ein Video zusammengestellt unter dem Titel «20 Years of Failed Personal Diplomacy». In ihm spielen der russische Präsident Putin und seine wechselnden westlichen Gesprächspartner die Hauptrolle. Alle sind sie zwanzig Jahre jünger, lachen, wirken entspannt und sorgenfrei.

Seit Putins brutaler Kriegführung in der Ukraine stellt sich natürlich die Frage, wie wir in diese missliche Lage geraten sind, nachdem doch alles so gut ausgesehen hat.

Im Mai 2000 übergab Boris Jelzin die Präsidentschaft Russlands an Wladimir Putin. Gut ein Jahr später hielt der Neue eine viel applaudierte Rede im Deutschen Bundestag.

Kernsatz war: «Ich kann mit Zuversicht sagen: Das Hauptziel der Innenpolitik Russlands ist vor allem die Gewährleistung der demokratischen Rechte und der Freiheit, die Verbesserung des Lebensstandards und der Sicherheit des Volkes.»

Putin hielt seine Rede vierzehn Tage nach 9/11. Moskau unterstützte dann das amerikanische Eingreifen in Afghanistan gegen die Taliban. Das verdeckte auch die weniger erfreulichen Praktiken der Russen im Tschetschenien-Krieg. Kurz vorher hatten sie die Hauptstadt Grozny in Grund und Boden gebombt und geschossen. Nur Ruinen blieben übrig.

Putin tat das Gegenteil von dem, was er im Bundestag angekündigt hatte.

Waren die westlichen Regierungschefs und Präsidenten naiv?

George W. Bush erklärte etwa: «Ich hätte ihn nie auf meine Ranch eingeladen, wenn ich ihm nicht vertraut hätte.» Blair, Merkel, Chirac, Schröder, Cameron, Sarkozy äusserten sich ähnlich. Cameron besuchte Moskau 2010 mit einer grossen Geschäftsdelegation, zwei Jahre nachdem Putin bereits im Georgien-Krieg gezeigt hatte, woher der Wind weht.

Ende Oktober 2012 sass der Republikaner Mitt Romney Präsident Obama zur letzten Debatte im Präsidentschaftswahlkampf gegenüber. Obama glaubte, tolle Formulierungen gefunden zu haben, um Romney lächerlich zu machen: «Vor wenigen Monaten antworteten Sie auf Frage, was die grösste geopolitische Bedrohung Amerikas sei, mit Russland – nicht al-Qaida. Sie sagten Russland. Und nun rufen die achtziger Jahre, sie wollten ihre Aussenpolitik zurück.» Und die devote New York Times kommentierte, das beweise, dass Romney unfähig sei, Präsident zu werden.

Romney war aber nicht der einzige Realist. John McCain sagte, er schaue in Putins Augen und sehe das KGB.

Hat Putin alle bewusst in die Irre geführt, wie das Video der New York Times suggeriert?

Eigentlich nicht. Wenig später hatte er in München aus seinen Absichten keinen Hehl gemacht.

Doch im Triumphgefühl nach dem Kalten Krieg liess sich der Westen gerne täuschen.