Wenn es darum geht, den richtigen Ton zu treffen, ist der frühere Botschafter der Ukraine in Deutschland Andrij Melnyk etwa so erfolgreich wie ein quietschendes Stück Kreide auf trockener Schultafel. Den Kanzler seines Gastlandes bezeichnete er einst als «beleidigte Leberwurst» und war auch sonst nicht faul, Schulnoten für deutsche Politiker zu verteilen.

Dieser Tage erst kanzelte Melnyk, der sich selbst auf Twitter als «stolzer ukrainischer Diplomat» (Letzteres darf bezweifelt werden!) bezeichnet, auf dem Kurznachrichtendienst Ex-Linken-Chef Oskar Lafontaine und dessen Ehefrau Sahra Wagenknecht ziemlich undiplomatisch ab. Die beiden seien «die schlimmsten Komplizen vom Kriegsverbrecher Putin, die als solche noch zur Rechenschaft gezogen werden.»

Nun ist es immer heikel, wenn in der Politik mit «Stolz» hantiert wird, ganz gleich ob amerikanische proud boys oder stolze Germanen sich für Ruhm und Ehre in die Brust werfen. Auch Putin und der türkische Präsident Erdogan führen reichlich Stolz im Munde, wenn es um Nation und Vaterland geht. Umso bemerkenswerter ist es, dass Melnyk als nunmehriger Vize-Aussenminister der Ukraine in seinem Twitter-Status schreibt: «Meine Ansichten spiegeln nicht unbedingt die Position der Ukraine wider.» Das ist immerhin beruhigend.

Ich teile die Ansichten von Lafontaine und Wagenknecht ausdrücklich nicht, verbitte mir aber, dass ausländische Egominister deutsche Politiker für deren Meinung «zur Rechenschaft» ziehen. Ein Land, das mit hohem Druck in die Europäische Union drängt, sollte als Allererstes lernen, dass völlig zulässige Meinungen auch dann nicht verfolgt werden, wenn man sie nicht teilt. Ganz gleich, ob Melnyk Laternenpfahl oder Strafgerichtshof im Sinne hat, er darf meinen, was er will. Lafontaine und Wagenknecht auch. Punkt.

Ralf Schuler ist Politikchef bei Rome Medien und betreibt auf Youtube den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein neues Buch heisst «Generation Gleichschritt» (Fontis-Verlag, Basel)

Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein neues Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen.

Die 3 Top-Kommentare zu "Ukrainischer Ex-Botschafter bedroht Wagenknecht: Andrij Melnyk bezeichnet die Linken-Frontfrau und ihren Ehemann als «Komplizen Putins»"
  • freigeist

    Andrij Melnyk möchte Andersdenkende "sehr bald zur Rechenschaft gezogen" sehen, hat aber selber privat seine Pfründe gesichert. Seinen Sohn schickt er nicht in diesen von ihm befürworteten Krieg, sondern lässt ihn im sicheren Deutschland studieren. Wer Länder mit solchen Repräsentanten in die EU holt, der führt die "westlichen Werte" gänzlich ad absurdum!

  • collie4711

    Wenn Andrij Melnyk so reagiert, scheinen Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine ziemlich Alles richtig zu machen. Getroffene Hunde bellen sehr laut.

  • Maiskolben

    Ich schätze Frau Wagenknecht so ein dass sie das doch ganz gelassen sieht. Schließlich trennen die beiden Personen, intellektuell gesehen, Welten