Falls die Grünen bei den kommenden eidgenössischen Wahlen 2023 weiter zulegen – davon muss man nach den letzten kantonalen Ausmarchungen ausgehen, stehen die Chancen gut für einen Sitz im Bundesrat. Und was liegt dann näher, als dass die amtierende Nationalrats-Präsidentin Irène Kälin ebenfalls ins Gefecht zieht. Viele Beobachter in Bern hatten sie bisher jedenfalls ganz oben auf ihrer Liste und interpretierten die vor ihr organisierte umstrittene Reise nach Kiew als Schaulaufen mit Blick auf das nicht mehr allzu ferne Ziel Bundesrat.

Die Gelegenheit war auch ganz günstig, sich als bessere Alternative zu Aussenminister Ignazio Cassis (FDP) zu präsentieren. Ob sie solche Gedanken im Hinterkopf hatte, weiss man aber nicht.

Kälin stellte jedoch sich selber ein Bein, als sie nur den Blick, das Schweizer Fernsehen und Vertreter von Keystone mit auf die Reise nahm. Die Kälin-Seifenoper Ukraine, wo sie sich in allen Lebenslagen und Situationen filmen und fotografieren liess, kam bei den übrigen Medien wohl auch deswegen etwas weniger gut an. Es hagelte Kritik– insbesondere in der Romandie.

Inzwischen hört man in Bundesbern, Kälin habe mit dieser grandiosen Selbstinszenierung ihre Chancen auf einen Bundesratssitz kompromittiert. Hat sie das tatsächlich?

Wenn man einen Bundesrat Alain Berset (SP) trotz seiner auch staatspolitisch relevanten Affäre wiederwählt, wäre es etwas übertrieben, die Aargauerin wegen dieser Reise abzustrafen.

Leider.