Heute beginnt in Bundesbern das vierte und letzte Jahr der Legislatur 2019 bis 2023. Die Nervosität mit Blick auf die Schweizer Parlamentswahlen am 22. Oktober 2023 steigt. Im Jahr vor den Wahlen kommt es erfahrungsgemäss meistens zu einem Schlussbouquet an parlamentarischen Vorstössen.

Wenn jeder Parlamentarier und jede Parlamentarierin pro Session auch nur einen politischen Vorstoss im Parlament lanciert, sind dies im Jahr rund tausend Vorstösse, die dann vom Parlament mit Vorprüfungen, in Kommissionen und schliesslich im Plenum abgearbeitet werden müssen. Auch wenn sie, oft zu einer einzigen Thematik gebündelt, behandelt werden, sind damit dennoch hohe Kosten verbunden.

Andererseits gibt es zahlreiche Parlamentsmitglieder, die bereits die «innere Kündigung» vollzogen haben und die restlichen Monate ihrer Amtszeit als «lahme Enten» vor allem noch dazu nutzen, ihre Einkünfte abzusitzen. Jene, die eine Wiederwahl anstreben, werden spätestens im Sommer ihre Prioritäten auf den Wahlkampf und weniger auf die Parlamentsarbeit legen.

Die Fülle von Vorstössen nimmt vor allem im Wahljahr deshalb stark zu, weil jeder Parlamentarier seiner persönlichen Wahlklientel noch beweisen will, dass er sich für sie einsetzt. Im ersten Jahr einer neuen Legislatur müssen diese teils utopischen und meist chancenlosen Vorstösse dann abgearbeitet werden.

Dann sind viele Parlamentarier oft sogar froh, wenn die Kollegen aus anderen Parteien ihre Vorstösse bachab schicken, denn die Begleitung persönlicher Vorstösse bis zur Schlussabstimmung im Parlament erfordert viel Durchhaltevermögen und Arbeit. Fällt der Vorstoss durch, dann kann er oder sie diese Ablehnung sogar noch dazu verwenden, die übrigen Parteien als Sündenböcke abzustempeln, indem man ihnen vorwirft, dass sie die Anliegen seiner Wähler nicht ernst nähmen.

Viele Ratsneulinge werden erst bei der Aufnahme ihrer Ratsarbeit realisieren, dass rund 80 Prozent ihrer Zeit für die Bekämpfung politischer Vorstösse ihrer politischen Gegner draufgeht. Neulinge glauben fälschlicherweise auch, sie hätten während der nächsten vier Jahre noch viel Zeit für eigene Vorhaben. Die Zeit verrinnt jedoch rasch, und bald stehen auch sie im vierten, unproduktiven Wahljahr.