Schleppender Gang, aufgedunsenes Gesicht, abgelöschter Blick: Bei Boris Becker sind nicht mal mehr Spurenelemente seines früheren Glanzes zu erkennen.

Und die Attraktivität seiner Lebensgefährtin Lilian de Carvalho Monteiro scheint wie ein zynischer Wink mit dem Zaunpfahl des Schicksals.

Als Boris Becker am Freitag mit einer Krawatte in den Wimbledon-Farben am Southwark Crown Court zur Strafmassverkündung erscheint, wirkt er wie eine Karikatur seiner selbst.

Dabei war noch vor 37 Jahren alles wie in einem Märchen: Bumbum! Als Boris Becker 1985 im Alter von 17 Jahren gegen Kevin Curren zum Wimbledon-Sieg stürmte, stand die Tenniswelt Kopf. Mit seiner Wucht, den Hechtrollen und der Unbekümmertheit verdrehte der rotbackige Jüngling aus dem badischen Leimen selbst den Briten den Kopf.

Über Nacht wurde Tennis zum beliebtesten Sport Deutschlands – und Becker in seiner Popularität vor den «Kaiser» (Beckenbauer) und den Kanzler (Kohl) gespült.

Es war das vorerst letzte Game in einem epischen Match – zwischen Boris Becker und der englischen Justiz. Bewegte sich der Deutsche auf dem Tenniscourt mit Leichtigkeit und Kraft, gab er auf dem wirtschaftlichen Parkett eine weniger gute Figur ab.

Einen Überblick über seine beruflichen Engagements und finanziellen Investitionen zu gewinnen, ist ähnlich schwierig, wie mit sechs Tennisbällen gleichzeitig zu jonglieren: Unter anderem war Becker bis 2017 Besitzer von drei Mercedes-Garagen im Nordosten Deutschlands. Sein Vertrag als Markenbotschafter von Mercedes wurde aber vorzeitig gekündigt.

Die Spuren führen auch in die Schweiz: Hier gründete Becker in Küsnacht die Boris Becker GmbH und zusammen mit seinem langjährigen Geschäftspartner Hans-Dieter Cleven die Cleven-Becker-Stiftung.

Nach dem Rücktritt von Becker als Stiftungsrat wurde sein Name aus dem Titel entfernt. Ausserdem war der Deutsche an der Völkl Tennis GmbH beteiligt. Später gab er seinen Namen (und sein Geld) für das Internetportal Sportgate sowie für die New Food AG her. Beide Projekte erlitten Schiffbruch.

Die Frage stellt sich: Wie konnte sich Becker im Berufsleben derart verzocken, dass nun die ganze Welt über seinen Niedergang spekuliert?

Immerhin war er lange Trainer des ehemaligen Weltranglistenersten Novak Djokovic. Und noch bis vor kurzem erklärt er als Experte beim Sportberichterstatter Eurosport der Menschheit die Tennisgeheimnisse.

Von den früheren Geschäftspartnern und Angestellten will sich niemand öffentlich äussern. Aus den Gesprächen über Becker ergibt sich aber von ihm das irgendwie tragische Bild eines generösen und kumpelhaften Typs, der kaum einmal nein sagte.

Am Ursprung allen Übels lag wohl sein grösster Erfolg – der fulminante Wimbledon-Triumph vor 37 Jahren. Ohne Vorbereitung und grosse schulische Ausbildung wurde Becker 1985 praktisch mit einem Schlag zur globalen Ikone – und zum Spielball von fremden Interessen.

Das ging nur so lange gut, wie der rumänische Manager Ion Tiriac die Grenzen zog. Beobachter sprechen von «Selbstüberschätzung und Realitätsverlust», über die Becker abseits des Courts gestolpert sei.

Zwei Ereignisse hätten ihn nachhaltig aus dem Gleichgewicht geworfen: der Tod seines Vaters (1999) und die Scheidung von seiner ersten Ehefrau, Barbara Feltus (2001).

Beckers Anwälte dementieren die Meldung, der Tennisheld a. D. sei pleite. Es braucht aber mehr als einen spektakulären Hechtsprung, um die Problemlage nachhaltig zu entschärfen.