Die Schweiz strudelt. Es lottert in der Politik. Die Asylzahlen explodieren, und die Preise gehen nach oben. Es mangelt an Strom und Energie. Die grüne Wende entpuppt sich als Luftschloss. Vom Bundesrat kommen Durchhalteparolen. Erstmals seit 500 Jahren beteiligt sich die Schweiz wieder aktiv an einem fremden Krieg. Die Neutralität liegt im Koma, Krisen überall.
Unsere Regierung wirkt überfordert. Bundespräsident Ignazio Cassis, Narkotiseur der Neutralität, verrenkt sich nach links, akut fürchtend um seine Wiederwahl. Gesundheitsminister Alain Berset ist angezählt, Simonetta Sommaruga des Verlierens müde. Hoffnungsfetzen kleben an Viola Amherd, Guy Parmelin, Karin Keller-Sutter. Mit Ueli Maurer geht der letzte Staatsmann in Pension.
Es kann uns also nicht ganz egal sein, wer als dessen Nachfolger für die SVP in der Regierung einzieht. Die SVP ist die stärkste Partei. Ihre Wähler erwarten, dass sie die Schweiz zurückbringt auf den Pfad der bürgerlichen Tugend. Ihr Auftrag lautet: Wiederbelebung der Neutralität, Stärkung der Armee, Absage an suizidale Energie-Experimente, Sicherung der Grenzen und der Arbeitsplätze.
Die Zeiten sind fiebrig. Draussen toben die Emotionen. Cassis’ wendehälsiger Neutralitätsbruch spaltet die Schweiz. Kriegsfalken und Friedenstauben gehen aufeinander los. Die Linken grillieren die Meinungsfreiheit auf dem grossen Scheiterhaufen ihrer «Cancel-Culture». Seit Corona gewöhnen sich die Despoten in allen Parteien an die undemokratische Brechstangenpolitik des Notrechts.
Ueli Maurer war kein brillanter Departementschef, aber er war ein hervorragender Bundesrat. Oft war er der Einzige, der noch auszusprechen wagte, was die anderen nicht hören wollten. Seine Provokationen kamen aus der Wirklichkeit, nicht aus vorgestanzten PR-Texten. Sein Abgang reisst eine grosse Lücke. Ein Filetstück Vernunft bricht aus dieser Regierung weg.
Naturell des Jasagers, dem es auch keine Mühe bereitet, als Briefträger bezahlter Interessen zu wirken.
Die SVP sollte jetzt keinen geländegängigen Karrieristen und Anpasser in dieses dysfunktionale Gremium verunsicherter Einzelkämpfer und Selbstverteidiger schicken. Es braucht eher mehr Maurer als weniger, Rückgrat statt Plastilin, eine Persönlichkeit, die im Gegenwind aufblüht, die vor allem dann zur Hochform aufläuft, wenn gestritten wird, weil ernsthafte Probleme zu lösen sind.
Auch das ist ein Grund, warum der Berner Favorit Albert Rösti eine Fehlbesetzung wäre. Mit seinen siebzehn meist gutbezahlten Polit-Mandaten hat sich der Rekordpöstchensammler der SVP bis zur Unkenntlichkeit abgeschliffen, ein in Bern mittlerweile so perfekt eingebetteter Interessensöldner, dass ihn sogar die Medien und seine Gegner, sofern überhaupt vorhanden, nur noch loben.
Ja, Rösti ist überall beliebt, aber seine Beliebtheit ist der Ausfluss seiner Anschlussfähigkeit nach allen Seiten. Wer sich so viele Hüte aufsetzt und zutraut wie er, kann sich keine Konflikte, keinen Streit, keinen Tiefgang mehr leisten. Er braucht das biegsame Naturell des Jasagers, dem es auch keine Mühe bereitet, als Briefträger der Interessen seiner vielen Geldgeber im Bundeshaus zu wirken.
Röstis Kompatibilitäten wirken mitunter gespenstisch. Gegen alle Demokratie-Grundsätze seiner Partei arbeitet er derzeit mit SP-Fraktionschef Roger Nordmann am Abbau von Einsprache- und Volksrechten, damit Wasser-, Wind- und Solaranlagen künftig widerstandsbefreit gebaut werden können. Röstis zahlender Auftraggeber ist der Schweizer Verband der Wasserwirtschaft.
Es gibt andere valable Kandidaten. Der Berner Ständerat Werner Salzmann ist ein grundsolider Militärspezialist, felsenfest auf dem Boden der schweizerischen Neutralität. Aus dem Kanton Zürich meldet sich Rechtsprofessor Hans-Ueli Vogt zurück, urbane SVP, nicht sklavisch auf Parteilinie, aber hochintelligent, kein Postenjäger, verlässlich und sattelfest in allen wesentlichen Fragen.
Die Nidwaldner Regierungsrätin Michèle Blöchliger verhedderte sich, legte einen Fehlstart hin, wird von den Medien aber zu hart angepackt im Vergleich mit Rösti, den die Journalisten auffällig schonen, weil sie ihm, wie man liest, bereits zutrauen, er könne sich, flexibel, wie er ist, in der Europapolitik «öffnen», also geschmeidig zeigen auch gegenüber den Interessen der EU.
Bleibt Heinz Tännler, unser Favorit in der Aussenseiterposition. Der kernige Zuger Finanzdirektor weiss, wie man einen Kanton organisieren muss, damit er Geld nicht verbrennt, sondern verdient, keine unwichtige Eigenschaft in Zeiten galoppierender Inflation. Tännler ist unabhängig und unbequem, kein Dogmatiker, führungserfahren, eine gute Wahl. Wir werden sehen. R. K.
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