«Seit 63 Tagen bin ich unterwegs und brenne darauf, das ersehnte Land zu betreten. Am 8. Juni nahmen wir merkwürdige Lichter wahr, die sich im Zickzack bewegten: Fischer. Von einem düsteren Himmel hob sich ein schwarzer, gezackter Kegel ab. Wir umrundeten Moorea.

Einige Stunden später kündigte sich die Morgendämmerung an, und wir näherten uns langsam den Klippen Tahitis, fuhren in die Bucht ein und warfen ohne Havarie an der Reede den Anker.»

Das waren Paul Gauguins erste Notizen in seinem Tagebuch. Es folgten Stunden der Niedergeschlagenheit, Frustration und doch leiser Hoffnung, dass diese Insel ihm ein neues Zuhause werden könnte.

Mir geht’s besser. Am Samstag wird mir beim Einchecken in Kloten mitgeteilt, dass mein USA-Visum vor drei Tagen abgelaufen sei.

 

Hinter Gauguins Haus

Am Sonntag wird mein Flug nach Paris nach Amsterdam umgeleitet. Kurz vor dem Start wird der Flug abgesagt. Jetzt bringen sie mich nach München. Lufthansa hat Verspätung. Ich verpasse den Anschluss. Nacht im «Airport»-Hotel in Paris. Auch ich bin niedergeschlagen, frustriert und doch voll leiser Hoffnung.

«Siehst du denn die Zeichen nicht?», schreibt mir meine Freundin per SMS.

36 Stunden später bin ich da. Vertraut und doch fremd. Das feuchte Klima haut mich um. In fünf Stunden umrunde ich Tahiti mit meinem kleinen Suzuki. Irgendwo regnet es immer – aber auch die Sonne scheint immer. Ich folge den Spuren Gauguins. Papeete, Punaauia, Paea, Papeari.

Jetzt bin ich ganz nahe. In Mataiea gibt’s nur noch eine Tankstelle, einen kleinen Supermarket und einen Bankomaten. Das Museum Gauguin ist eine Ruine. Nichts erinnert mehr an ihn.

Trotzdem fotografiere ich hinter seinem Haus. Es steht nicht mehr. Dafür offenbart sich mir eine Landschaft von epischer Gewalt. Er hat sie nie gemalt. «Ich brauche keine Realität, alles, was ich sehe, ist in meinem Kopf.»

Teura wartet auf mich. Gestern schwärmte sie vom Shooting.

«Ah, ich werde mich für dich ausziehen wie die Frauen bei Gauguin!»

Doch heute ist alles anders.

«Mein Freund wartet im Auto!»

Ich mag ihr weisses Kleid. Es ist besser so.