Angenommen, der Auspuff Ihres Autos wĂŒrde im Wageninneren enden – wie lange wĂŒrden Sie noch zögern, um auf ElektromobilitĂ€t zu wechseln? Zugegeben, eine etwas absurde Annahme und auch eine blöde Suggestivfrage. Wer wĂŒrde denn schon auf die Idee kommen, schĂ€dliche Abgase in ein Auto zu leiten? Aber man kann anhand des Beispiels (fast) die ganze Klimaproblematik erklĂ€ren. Bleiben wir also dabei.

Das Wageninnere entspricht Ihrer privaten AtmosphĂ€re. Sie bevorzugen es, diese zu schonen und stattdessen die Gase in die niemandem, das heisst allen, gehörende grosse AtmosphĂ€re zu verfrachten. Die Volkswirtschaftslehre spricht im Fall von Abgasen, die ins Freie geleitet werden, von «negativen ExternalitĂ€ten». Wenn sie jemandem schaden, dann erzeugen sie «externe Kosten». Um in der NĂ€he von Fabrikanlagen externe Kosten zu vermeiden, erfand man den Schornstein, der den Rauch besser in der AtmosphĂ€re verteilte. Der Ökonom nennt diesen Vorgang «Sozialisierung von ExternalitĂ€ten», gleichbedeutend mit der Auferlegung der Kosten auf eine oft unbestimmte Anzahl Menschen.

 

Facebook statt Postkutsche

Dem Vorgang der Sozialisierung steht das Zusammenraufen der GeschĂ€digten gegenĂŒber. Stinkt die Luft dauernd zum Himmel, werden sich die Leute wehren. Es kommt zu einer Auseinandersetzung zwischen Verschmutzern und GeschĂ€digten. Den Aufwand des Zusammenraufens bezeichnet die Volkswirtschaftslehre als «Koalitionskosten». FrĂŒher, als man noch zu Fuss oder mit der Postkutsche unterwegs sein musste, um sich zusammenzuraufen, fielen die Koalitionskosten sehr viel höher aus als in unserer Zeit, in der die nĂ€chste Interessengruppe nur einen Instagram- oder Facebook-Click entfernt ist.

In aller Regel einigen sich Verschmutzer und GeschĂ€digte auf ein akzeptables Mass an externen Kosten, die bei einer bestimmten AktivitĂ€t anfallen. Der spĂ€tere NobelpreistrĂ€ger Ronald H. Coase (1910–2013) beschrieb diesen Vorgang in seinem bahnbrechenden Artikel «The Problem of Social Costs» im Jahr 1960. Dabei berĂŒcksichtigte er zur Vereinfachung des Beispiels und zu seiner inhaltlichen Verdeutlichung lediglich die externen Kosten, nicht aber die viel schwieriger eruierbaren «Informations- und Transaktionskosten» – darunter auch die genannten Koalitionskosten, die auf beiden Seiten, beim Verschmutzer wie auch bei den GeschĂ€digten, selbstverstĂ€ndlich anfallen: Kosten zur Messung von Emissionen, Kosten zur EinschĂ€tzung des Schadens, Kosten zur FĂŒhrung von Verhandlungen und so weiter. Fallen die Informations- und Transaktionskosten zu hoch aus, kommt es gar nicht zu Verhandlungen und das Coase-Theorem kommt nicht zur Anwendung.

 

Die Tragik der Allmende

Dieser Fall ist gar nicht so selten. Beispielsweise nutzen Fischer verschiedenster Herkunft dieselben FischgrĂŒnde. Weil kein Eigentum an der Wasserkubatur definiert ist, kann sich niemand mit Erfolg gegen das Überfischen zur Wehr setzen. Alle schaden allen, weil die Nutzung keiner BeschrĂ€nkung unterliegt und sich niemand fĂŒr das Nichteigentum zur Wehr setzt.

Nichteigentum: Man könnte auch «Gemeingut» oder «Allmende» sagen. Dass ihre Nutzung einer Tragik unterliegt, die in einer Übernutzung enden muss, zeigte 1968 der Ökonom Garrett Hardin in seinem berĂŒhmt gewordenen Aufsatz «The Tragedy of the Commons» auf. An Beispielen mangelt es nicht: Es sind die erwĂ€hnten FischgrĂŒnde, aber auch Weiden und WĂ€lder, GratisparkplĂ€tze, öffentliche Toiletten.

Die allgemeinste aller Allmende ist wohl die Luft, die AtmosphÀre; deshalb die Auspuffe von Autos, deshalb die Schornsteine, deshalb die Hochkamine. Bis vor relativ kurzer Zeit war Luftverschmutzung nur ein Problem, wenn sie an bestimmten Orten in zu konzentrierter Form auftrat. Zum Beispiel im Bereich vielbefahrener Strassen. Oder in der Umgebung von Gerbereien, die bekanntlich