Wer bei Aldi-now, dem neuen Lieferservice von Aldi, etwas bestellt, erhält seine Einkäufe am selben Tag nach Hause geliefert. Und zwar in diversen grösseren Schweizer Städten. Das neue Angebot, das im letzten Herbst als Pilotversuch in Zürich startete, ist aufgebaut auf den Logistikdienstleistungen des Zürcher Start-ups Annanow. Vor der Zusammenarbeit mit Annanow verfügte Aldi über keinen Webshop. Heute erfolgen sowohl Lieferungen als auch Bezahlungen über die Annanow-Plattform.
Annanow ist eine Logistiklösung für die letzte Meile, also vom Laden zum Kunden. Über die digitale Plattform des Unternehmens registrieren sich gewerbliche Transporteure, um dann die Bestellungen im Laden abzuholen und dem Kunden heimzubringen. In der Schweiz, Deutschland und Österreich umfasst Annanow eine Flotte von vielen zehntausend Lieferanten. Das Versprechen in urbanen Räumen: Lieferungen innerhalb von zehn Minuten bis maximal eine Stunde.
Zukunft des lokalen Gewerbes
Sämtliche Reibungsflächen zwischen Bestellung, Bezahlung und Lieferung werden eliminiert.
Annanow versteht sich als Unternehmen an der Schnittstelle zwischen digitalen Technologien und der Finanzwirtschaft, als sogenanntes Fintech. Denn neben der Vertriebslogistik bietet die Annanow-Plattform auch Lösungen für die Bezahlung und Versicherung der Handelsgüter auf dem Transportweg. «Gekauft, geliefert, bezahlt» – aus einer Hand. Die Stärke der Plattform von Annanow besteht darin, sämtliche Reibungsflächen zwischen Bestellung, Bezahlung und Lieferung zu eliminieren. Mit einem hohen Automatisierungsgrad, der in Zukunft für Selbstabholer noch gesteigert wird: Gemeinsam mit SEW Eurodrive, einem deutschen Hersteller von Antriebstechnik, stellt Annanow in Kürze eine Lösung für die automatisierte Auslieferung an den Kunden bereit, zum Beispiel im eigenen Ladenlokal. Mittels eines QR-Codes identifiziert sich der Kunde, worauf sein Einkauf auf Förderbändern zur Warenausgabe gebracht wird.
Unter den Läden, die bereits auf Annanow zurückgegriffen haben, befinden sich klangvolle Namen wie Läderach, Manor, Migros oder Fleurop. Allerdings ist man bewusst auch offen für kleinere Geschäfte oder Webshops, die sich durch die schnelle Lieferung einen Wettbewerbsvorteil sichern können. Mittlerweile ist Annanow im ganzen deutschsprachigen Raum aktiv, also auch in Deutschland und Österreich. Nach eigenen Angaben erbringt das Unternehmen Dienstleistungen für über 5000 Läden – mit dem Ziel, dem Gewerbe und Grosshandel «gleich lange Spiesse» zu verschaffen «wie Amazon und Alibaba im Kampf um den Kunden». Damit würde ein Beitrag geleistet zur Zukunft des lokalen Gewerbes.
Gegründet wurde das Unternehmen im Jahr 2017. Zwei der Mitgründer, Patrick Keller und Daniel Gradenegger, sind nach wie vor in der Geschäftsleitung tätig. Sie stammen beide aus der Finanzbranche. In der Verknüpfung der physischen Lieferung mit Zahlungs- und Finanzdienstleistungen sehen sie ein anhaltend grosses Potenzial.
Der bisherige Werdegang von Annanow liest sich wie das Drehbuch einer Start-up-Erfolgsgeschichte. Die Gründer gingen mit ihrer Idee, eigenem Geld und viel Engagement ans Werk. Im Jahr 2019 folgte die erste Finanzierungsrunde, bei der Privatinvestoren, sogenannte Business Angels, mit 1,2 Millionen Franken die Expansion ins Ausland ermöglichten. Eine weitere Finanzierungsrunde mit geschätzt vier Millionen Franken ging Anfang 2019 über die Bühne. Zu den frühen Investoren gehörten Edi Wögerer, CEO der Bank Frick, und Simon Erdmann, Global Head of Corporate Messaging & Strategy beim IT-Unternehmen Cognizant. Auch ein deutsches Venture-Capital-Unternehmen ist mit an Bord. Vor drei Jahren wurde Annanow vom Schweizer Innovationsförderprogramm Kickstart Accelerator als bestes Fintech Europas ausgezeichnet.
Danach wurde es ruhiger um Annanow. Zu reden gab das Start-up während der Covid-Pandemie, als es seine Plattform in die Soforthilfeaktion «Stand Together» einbrachte, die unter anderem die Heimlieferung von Medikamenten oder den Transport von Angehörigen der Covid-Risikogruppen zum Arzt oder ins Spital ermöglichte. Allgemein wirkte die Pandemie jedoch bremsend, da der Detailhandel während der Lockdowns vielfach nicht bereit war, den Online-Kanal entscheidend voranzutreiben.
Dem Vernehmen nach steht das Unternehmen kurz davor, die nächste Etappe seiner Entwicklung in Angriff zu nehmen. Wie bei vielen digitalen Geschäftsmodellen üblich, steht eine rasche Skalierung im Vordergrund. Die Zusammenarbeit mit Aldi, vorderhand nur in der Schweiz, stellt dabei einen Quantensprung dar. Der wichtigste Trend, der das Geschäftsmodell stützt, ist die zunehmende Ungeduld der Kunden: Die Lieferung am gleichen Tag, am besten sofort, wird immer mehr zur Selbstverständlichkeit.
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