Bevor man eine ernste Beziehung eingeht, ist es ratsam, das eigene Gärtchen gründlich abzustecken. Dem Partner zu verstehen zu geben, wo die Grenzen liegen, was tolerierbar ist, was nicht, den Lebensentwurf auszudiskutieren; Kinder, Karriere, Hausfrau, Hausmann oder ein Mix aus allem. Natürlich ist das keine hundertprozentige Garantie für langfristiges Paarglück, Menschen verändern sich, aber es zeigt doch tendenziell, ob die eigenen Bedürfnisse mit dieser Person im Grossen und Ganzen realisierbar sind.

Manchmal beobachte ich ein Paradox: Frauen gründen, ganz bewusst, eine Familie mit Männern, bei denen sämtliche Alarmglocken im Vorfeld geläutet und sich unüberwindbare Gegensätze schon während der (noch kinderlosen) Beziehung manifestiert haben – als Vorbote des späteren Beziehungskollapses.

Ich kann es ein Stück weit nachfühlen. Die klassische Hoffnung, dass er sich schon ändern würde, ist einnehmend. Oder aber man sagt sich: «Ich will jetzt Kinder, also arrangiere ich mich mit seinen Fehlern.» Mit der Passivität, den Seitensprüngen. «Wenn ich ihn heirate, sind ich und der Nachwuchs immerhin versorgt.» Ich weiss, ein schamloser Gedanke. Und natürlich gilt das längst nicht für jede von uns. Aber wir müssen auch nicht so tun, als gäbe es diese Frauen nicht, die Männer für die finanzielle Sicherheit an sich binden wollen. Im Übrigen werfe ich das Schielen nach materiellen Vorteilen niemandem vor. Es sind erwachsene Menschen, die wissen, was sie tun.

Neulich habe ich ein Youtube-Video gesehen: «Frauen ignorieren die guten Männer». Darin argumentiert die Kreatorin, dass die Mehrheit der Männer «gute Kerle» seien. «Es ist ein sehr kleiner Prozentsatz, der herumschläft» und sich schlecht benehme. Jede Frau habe einen Mann in der friendzone, von dem sie wisse, dass er sie in einer Beziehung gut behandeln würde, aber sie wähle ihn doch nicht. «Und dann heulen wir rum, weil der, den wir ausgewählt haben, uns schlecht behandelt.» Manche von uns fischen also sehenden Auges im falschen Teich.

Feministisch eingestellte Frauen meckern in sozialen und anderen Medien gerne und pauschal über Männer, ein Hauptpunkt ist die Care-Arbeit, mit der sie Frauen häufig alleinlassen würden; das «unfaire System» begünstige das Problem. Unzweifelhaft gibt es diese Exemplare. Und es gibt die anderen. Männer, die mithelfen bei der Kinderbetreuung und im Haushalt, die Partnerin in ihrer Selbstverwirklichung unterstützen. Ich persönlich habe von diesen Männern in meinem ganzen Leben viel, viel mehr kennengelernt als von den anderen.

Wenn die Frauen wieder losschimpfen, frage ich mich immer: Waren denn diese unzumutbaren Kerle erst alles Supermänner, ehe man sie geheiratet und Kinder mit ihnen gezeugt hat? Waren die alle fürsorglich, aufmerksam, liebenswürdig, unterstützend und haben sich dann plötzlich in hoffnungslose Nichtsnutze verwandelt?

Grundsätzlich ist es doch so: Selbstbestimmung beginnt in den eigenen vier Wänden. Durchsetzungsvermögen, auch im privaten Bereich, gehört zur Emanzipation. Das ist deine eigene Verantwortung, das kann dir niemand abnehmen. (Darum ist übrigens finanzielle Unabhängigkeit so wichtig für Frauen; sie ermöglicht den Ausbruch aus einer Situation, die sie unglücklich macht.)

Bei der Partnerwahl die falsche Entscheidung getroffen zu haben, ist nichts, wofür man sich schämen müsste. Nur transportiert man kein besonders fortschrittliches Frauenbild, wenn man einfach andere für die Konsequenzen seiner Entscheide verantwortlich macht. Nicht «die Männer» oder das System sind schuld an deinem gestressten Alltag, in dem er dich mit dem ganzen Kram alleinlässt, sondern das Individuum, das du für dich ausgewählt hast. Oder ihr beide. Natürlich gibt es Einflüsse, die ausserhalb unserer Kontrolle liegen, aber für die meisten Entscheide ist man selbst verantwortlich, dazu zählt die Wahl des Lebenspartners.

Vielleicht ignorieren manche Frauen tatsächlich die besser geeigneten Männer und degradieren diese zum «besten Freund»; in der friendzone hoffen diese dann auf ihre Chance und ernten meist doch nur romantisches Desinteresse. Vielleicht verdienen sie ja ein Quäntchen mehr Beachtung. Dem Gemecker nach zu schliessen, wäre es jedenfalls öfter mal einen Gedanken wert.