Eigenverantwortung und Gemeinsinn sind Schweizer Stärken.
Freiwilliges Energiesparen ist das Gebot der Stunde: 15 Prozent sollen es sein, wie der Bundesrat verkündet hat. Das ist ein wichtiges Puzzleteil, um im Winter eine Energiemangellage zu verhindern. Es gibt allerdings ein Problem: Sparen hat absolut keinen Charme. Es liegt dem kein genialer Masterplan oder technologischer Quantensprung zugrunde. Sparen ist langweilig. Und dazu ist auch noch Frieren angesagt.
Mangellage verhindern
es Energieverbräuche, auf die verzichtet werden kann.
Das Geheimnis liegt woanders: Sparen ist effektiv. Zudem kommt es der Schweizer Mentalität entgegen. Nirgends auf der Welt ist die Sparquote höher. Es ist nicht der Charme einer Massnahme, den wir schätzen. Es ist deren Wirkung.
Die Industrie spart deshalb schon seit Jahrzehnten Energie. Der grösste Hebel liegt im Produktionsprozess. Mit energetischen Gesamtoptimierungen haben die Swissmem-Mitgliedsfirmen im Zeitraum von 1990 bis 2020 ihren Verbrauch um 42 Prozent gesenkt. Die gute Nachricht ist, dass die Industrie diesen Pfad weiter beschreiten wird; die schlechte, dass sich dies nicht von heute auf morgen umsetzen lässt. Das bedingt einen Technologiesprung oder eine Modernisierung des Maschinenparks. Im Hinblick auf den kommenden Winter lässt sich da nichts machen.
Für die Industrie ist das aber kein Grund, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Aus der Automobilzulieferindustrie kenne ich das geflügelte Wort «10 Prozent gehen immer». Letztlich haben wir keine Alternative. Wenn es uns nicht gelingt, die Energiemangellage zu verhindern, kommt es zu Kontingentierungen von Gas und Strom sowie im schlimmsten Fall zu rollierenden Netzabschaltungen.
In jedem Industriebetrieb gibt
Der Schaden wäre immens. Allein in der MEM-Industrie wären zahlreiche Firmen gezwungen, ihre Produktionstätigkeit vollständig einzustellen. Produktionsprozesse, die auf eine unterbruchsfreie Energieversorgung angewiesen sind, kann man nicht einfach mit 10 oder 20 Prozent weniger Energie laufen lassen. Ebenso wenig kann man die Stromzufuhr für ein paar Stunden unterbrechen. Die Folge wäre Lichterlöschen. Aus die Maus.
Deshalb müssen wir alle kurzfristig realisierbaren Sparpotenziale ausschöpfen. In jedem Industriebetrieb gibt es Energieverbräuche, auf die verzichtet werden kann. Diese liegen meist ausserhalb des Produktionsprozesses. Schon heute durchleuchtet jede Firma den Betrieb, um Verschwendungen im Alltag zu vermeiden. Darüber hinaus gibt es Einsparmöglichkeiten, die jedoch mit Komforteinbussen verbunden sind. Diese betreffen Büros und andere Räumlichkeiten. In diesen soll die Raumwärme auf 19 Grad begrenzt werden. Mir ist bewusst, dass manche Mitmenschen solche Temperaturen als unangenehm empfinden. Ich appelliere jedoch an den Gemeinschaftssinn, solche Einschränkungen hinzunehmen. Gleichzeitig ist klar, dass diese nur vorübergehender Natur sein dürfen.
Günstig für Stauseen
Sparen müssen wir ab sofort. Heute eingespartes Gas schont die Bestände in den Gasspeichern für den Verbrauch im kommenden Winter. Und heute nicht verbrauchter Strom begünstigt den Pegelstand in den Stauseen. Wenn wir – und damit meine ich Unternehmen und Private – konsequent Energie sparen, dann ist das vom Bundesrat vorgegebene Sparziel erreichbar. Dies ist im Interesse von uns allen.
Gemäss Bundesamt für Bevölkerungsschutz wären die wirtschaftlichen Kosten einer Mangellage mit Arbeitslosigkeit und Einkommensverlust maximal. Eine mögliche Spaltung in der Bevölkerung sowie der Vertrauensverlust in die Institutionen sind dabei nicht eingerechnet.
Wir stehen alle in der Pflicht. Zeigen wir, dass Eigenverantwortung und Gemeinsinn kein Mythos, sondern Schweizer Realität sind. Jeder und jede ist gefordert. Packen wir es an. Zehn Prozent gehen immer – auch wenn es langweilig und ohne Charme ist.
Martin Hirzel ist Präsident von Swissmem, dem Branchenverband der Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie.
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