Dieser Text erschien zuerst auf der Online-Plattform Voice from Russia.

 

Awdijiwka ist eine jener Städte, welche seit 2014 mit Hilfe der Nato zu schwer befestigten Bastionen ausgebaut wurden und somit schwer einzunehmen sind. Aus Awdijiwka beschossen die Ukrainer die Zivilbevölkerung seit 2014 – allein bis zum Beginn der militärischen Spezialoperation kamen durch Artilleriebeschuss aus dieser Stadt über 17.000 Zivilisten in Donezk um.

Unser Blog Voicefromrussia.ch ist kein Militärblog. Dennoch verfolge ich zweimal täglich einen Youtube-Kanal mit dem Namen Military Summary, um mir eine Übersicht über die militärische Situation zu verschaffen.

In unserem Artikel «Verlässliche Quellen für die Kriegsberichterstattung» erläuterten wir, auf welche Weise man zu den verlässlichsten Informationen kommt, und erwähnten auch diesen Kanal.

Military Summary ist ein kartenbasierter Kanal, welcher Änderungen auf der Gefechtskarte erst dann vornimmt, wenn er geolokalisierte Bestätigungen hat, die eine Veränderung bestätigen. Das professionelle Vorgehen des jungen Youtubers aus Weissrussland bescherte ihm bis jetzt 213.000 Abonnenten und über 104 Millionen Besuche (views).

Ich schaue diesen Kanal seit seinem Beginn, und er musste noch nie Fehler korrigieren – er ist unsere Empfehlung, wenn man Fakten statt Propaganda konsumieren möchte. Etwas zeitraubend, aber lohnenswert.

Zwar hat sich der Ring um Awdijiwka noch nicht physisch geschlossen, ein Entkommen der ukrainischen Truppen ist jedoch aufgrund der Reichweite der russischen Waffensysteme auf alle Versorgungswege zu und von Awdijiwka ausgeschlossen. In Awdijiwka befinden sich zurzeit noch etwa 7000 ukrainische Soldaten.

Aus militärisch-taktischer Sicht ist die Stadt verloren. Somit ist es einigermassen erstaunlich, dass die Ukrainer sich aus dieser Einschliessung nicht schon vor Wochen zurückgezogen haben.

Vor einigen Tagen wurde General Saluschnyj durch General Syrskyj ersetzt, und man fragte sich, warum.

Dafür gibt es meines Erachtens drei Hauptgründe:

Erstens, Saluschnyj ist im Gegensatz zu Selenskyj immer noch beliebt bei der ukrainischen Bevölkerung, und somit wurde der General dem Präsidenten politisch gefährlich.

Zweitens, Saluschnyj wollte bei den Vorbereitungen zur grossen Gegenoffensive der Ukraine im Frühsommer eine konzentrierte Offensive in Richtung Melitopol führen. Selenskyj entschied sich – dem grossartigen Rat der Nato folgend – für zahllose Offensiven über die gesamte Frontlinie verteilt; eine Frontline, welche sich über tausend Kilometer erstreckt. Das Ergebnis war eine katastrophale Niederlage, die dazu führte, dass die Gegenoffensive nie auch nur die ersten Verteidigungslinien der Russen erreichte. Das ganze Blutbad spielte sich grossenteils in den Sicherheitszonen vor den Verteidigungslinien der Russen ab. Wir haben darüber in unserem Beitrag «Ukraine – ein Staat in der Agonie» bereits berichtet.

Drittens, man hörte, dass Saluschnyj Awdijiwka räumen wollte, um eine Wiederholung des Blutbades von Bachmut vom letzten Frühling zu vermeiden.

Selenskyj setzte sich durch, General Syrskyj ist der neue Mann. Selenskyj möchte offensichtlich verhindern, dass Awdijiwka vor der russischen Präsidialwahl vom 15. bis zum 17. März fällt. Einmal mehr ein zynisches Vorgehen eines Präsidenten, welcher nicht im Interesse seines Landes handelt. Ob Syrskyj die irrsinnige Strategie tatsächlich befolgen wird, ist ungewiss.

Ob Awdijiwka bis zum 15. März fällt, ist somit nicht sicher. Sicher ist jedoch, dass die ukrainische Führung – wie bereits in Bachmut – bis zum Fall Tausende ihrer eigenen Soldaten dem politischen Kalkül opfert.

Wie bereits erwähnt, ist Awdijiwka möglicherweise die letzte stark befestigte Bastion der Ukrainer. Dies erklärt auch, warum die Russen so lange brauchen, diese Stadt einzunehmen. Nach der Einnahme dieser Stadt wird Donezk für die Zivilbevölkerung nach über acht Jahren Artilleriebeschuss viel sicherer sein, da den Ukrainern die westlichen Langstrecken-Raketen, welche sie auch aus grösseren Entfernungen gegen die Zivilbevölkerung Donezks einsetzen können, langsam ausgehen.

Ich gehe davon aus, dass der weitere Vormarsch der Russen schneller vonstattengehen wird, da die weiteren – im Westen liegenden – Städte weniger stark befestigt sind.

Die Hoffnung stirbt zuletzt, und somit erlaube ich mir einmal mehr, auszusprechen, dass Verhandlungen aufgenommen werden müssen, um Tausende von Leben junger Ukrainer und Russen zu erhalten.

 

Peter Hänseler, ein Schweizer, der in Moskau lebt, betreibt den dreisprachigen geopolitischen Blog Voicefromrussia.ch.

Die 3 Top-Kommentare zu "Awdijiwka am Ende: Die letzte stark befestigte Bastion der Ukrainer in Donezk steht kurz vor dem Fall – Bachmut wiederholt sich. Ukrainische Soldaten werden aus politischem Kalkül verheizt"
  • Edmo

    Was Peter Hänseler zu berichten hat, ist einfach nur noch traurig. Während wir andauernd von moralisch weit überlegenen Gutmenschen aufgefordert werden, mehr Geld und Waffen für den epochalen Endsieg der Ukraine über Russland zu liefern, demaskiert Peter Hänseler den unsäglichen Zynismus des Westens und der ukrainischen Führung. Aber, wer will das schon hören? Wir lernen täglich, dass wir die Guten sind, dass die Ukraine gewinnen und Russland verlieren muss. Koste es was es wolle.

  • Marwin Darx

    Und dann der grosse Durchbruch Richtung Kherson und Odessa. Die Ukraine ist am Ende und wird vermutlich aufgeteilt.

  • beograd

    Die Vernichtung der männlichen Bevölkerung in der Ukraine war das Ziel der faschistischen Junta in Kiew. Was Hitler damals im Jahr 1945 tat, wird unter demselben Banner jetzt wiederholt. Die westliche Berechnung der Niederlage Russlands war lächerlich. Um es jetzt zu verbergen, wird ein "Kampf" inszeniert, bei dem Tausende Ukrainer noch sterben werden.Berichten von der Front zufolge sterben täglich gerade rund 1.000 Ukrainer. Es ist eine Tragödie, in die Verrückte die ganze Nation gestürzt haben