Bundespräsident Ignazio Cassis hat in seiner Eröffnungsrede anlässlich des World Economic Forum in Davos eine neue Definition der Schweizer Neutralität präsentiert. Er sprach in seinem Referat überraschend von einer «kooperativen Neutralität».

Wahrscheinlich ging es ihm dabei nur um eine Rechtfertigung für die Übernahme der EU-Sanktionen gegen Russland. Mit diesem Schritt haben der Bundespräsident und der Bundesrat das stärkste Instrument unserer Aussenpolitik beschädigt.

Mit wolkigen Umschreibungen und Begriffen versucht der FDP-Bundesrat den angerichteten Schaden irgendwie schönzureden.

Er hielt es auch nicht für nötig, seine neue, abenteuerliche Auslegung der Neutralität zuvor im Gesamtbundesrat zu besprechen.

Dabei bedeutet eine «kooperative Neutralität» im aktuellen Fall eine engere Zusammenarbeit mit der EU, die im Ukraine-Konflikt nicht einfach eine unbeteiligte Drittpartei, sondern wegen ihrer Expansionspläne im Osten Europas auch Teil des Problems ist.

Ganz nebenbei präjudiziert der Tessiner Bundesrat damit aber auch die Untersuchung der von ihm eingesetzten Arbeitsgruppe, die einen Bericht zur Schweizer Neutralität verfassen soll.

Was bleibt diesem Gremium nun anderes übrig, als die von Cassis in die Runde geworfene neue Definition der Neutralität zu übernehmen? Wobei man ehrlicherweise aber auch sagen muss, dass die Erwartungen in diesen Expertenbericht nicht sehr gross sind. Man muss davon ausgehen, dass die Gruppe Cassis bloss die Argumente dafür liefert, die Neutralität weiter aufzuweichen.