Zwei aufschlussreiche Vorträge der renommierten Ökonomen Charles Goodhart (London School of Economics) und Ernst Baltensperger (Uni Bern) an der 55. Economic Conference der Progress Foundation in Zürich zum Thema «Verursachen Notenbanken Inflation?» lassen eigentlich nur einen Schluss zu: Die Inflation ist noch keineswegs besiegt. Sie wird längerfristig hoch bleiben, auch wenn sie in den nächsten Monaten dank statistischen Basiseffekten signifikant sinken müsste.

Ein Hauptgrund für den unlängst rund um die Welt erlebten grössten Inflationsschub seit dreissig Jahren waren die Fehleinschätzungen der Notenbanken, insbesondere auch der US Fed. Sie haben darauf vertraut, dass ihre Liquiditäts-Spritzen wie anlässlich der Finanzkrise 2008 kaum zu Inflation führen würden. Zwischen 2009 und 2019 kämpften die Notenbanken sogar gegen deflationäre Tendenzen infolge der Globalisierung, technischer Fortschritte und boomender Arbeitsmärkte.

Die Notenbanken reagierten mit extrem tiefen und Negativzinsen, was wiederum eine Verschuldungsorgie befeuerte, sowohl beim Staat als auch bei den Privaten. Als dann die Covid-Pandemie weltweit Panik auslöste und der Ukraine-Krieg begann, kam es zu Lieferketten-Unterbrüchen, steigenden Rohstoffkosten sowie preistreibenden Rückführungen und Diversifikationen der Zulieferketten.

Die Ausgangslage der Notenbanken für eine Abwehr der Inflation war höchst ungünstig, denn auch während der Zins-Normalisierungsphase blieben die Geldpolitik und die Fiskalpolitik über die Corona-Zeit hinaus expansiv. Die Amerikaner hätten den Ernst der Lage nun aber erkannt und zögen die Bremse an, die EZB handle noch zögerlich.

Aber im Hintergrund begannen schon während der preisstabilen Jahren strukturelle Veränderungen verstärkt zu wirken, vor allem die Vergreisung der Gesellschaft, nicht nur in Europa, sondern auch in China und Russland.

In den USA könne sie nur dank der massiven Einwanderung etwas verlangsamt werden. Die ökonomische Abhängigkeit der anschwellenden Rentnerzahl von der schrumpfenden Anzahl Werktätiger nehme laufend zu. Noch gravierender sei die wachsende medizinische Abhängigkeit. Leute der Alterskohorte 65–75 Jahre seien bereits zu 25 Prozent von einer medizinischen oder pflegerischen Betreuung abhängig, zwischen 75–85 Jahren seien es bereits 50 Prozent und darüber gegen 80 Prozent. Japan demonstriere, dass immer mehr Arbeitskräfte, derzeit etwa 20 Prozent, in der Alters- und Pflegeindustrie statt in produktiveren Sektoren tätig seien.

Früher wirkten fast alle strukturellen Veränderungen preissenkend. In Zukunft werden sie die Preise anheizen. Zusätzliche strukturelle Veränderungen wie die Energiewende oder die Aufrüstung werden viele Staatshaushalte an den Rand des Abgrunds führen. Steuererhöhungen werden das Wirtschaftswachstum dämpfen. Billige Arbeitskräfte in Afrika, technische und medizinische Fortschritte (Alzheimer, Parkinson) könnten hingegen die Inflation dämpfen.

Die jüngsten preistreibenden Strukturschocks wie die Corona-Pandemie oder der Ukraine-Krieg werden bald wieder aus der Preisstatistik fallen, aber die Notenbanken werden nicht in der Lage sein, die Teuerungsimpulse der dauerhaften Strukturveränderungen zu bekämpfen, selbst wenn sie die Weltwirtschaft in eine Rezession stürzen.

Bereits gibt es Ökonomen, die bezweifeln, ob eine Rezession es wert sei, die längerfristig erwartete Teuerung von 3,5 wieder auf 2 Prozent zurückzubringen, zumal die Notenbanken mit weiteren Zinserhöhungen die Probleme im Finanzbereich eskalieren würden. Der Glaube an Staatsanleihen als sicheren Hafen für Kapitalanleger könnte ohnehin schon bald infrage gestellt sein.

Bei jeder Neuverschuldung oder Umschuldung müssten die Staaten höhere Zinsen bezahlen. Die Bewältigung des Verschuldungsproblems sei von höchster Priorität und dürfe nicht auf die Zeit nach den nächsten Wahlen verschoben werden.