Im Leben sieht man sich immer zweimal, ermahnt eine Weisheit zum höflichen Umgang mit Mitmenschen. Das erspart beim Wiedersehen Ärger oder Scham.

Was ritt dann Italiens Regierungschef Mario Draghi, als er letztes Jahr den türkischen Präsidenten Erdogan einen «Diktator» nannte? Rechnete er nicht damit, ihm je wieder zu begegnen?

Natürlich nicht.

Jetzt fuhr er nach Ankara und schüttelte dem Despoten die Hand. Rom braucht die Türkei: Von dort kommen Gas und immer mehr Migranten.

Kröten schlucken gehört zum Geschäft. Man nennt es Realpolitik. Die Frage ist nur, ob man sich die Lurche ohne Not selber auf den Teller setzen soll.

Warum nicht höflich bleiben?

Was uns zu Joe Biden bringt, der Wladimir Putin als «Schlächter» und als «Kriegsverbrecher» abputzte – in einer Reihe mit Adolf Hitler, Ratko Mladic und vermutlich auch Dschingis Khan.

Was dachte Biden? Dass er den Kremlchef nie wieder sehen wird?

Schon im November beim G-20-Gipfel könnte das der Fall sein.

Und dann ist da das Ende des Ukraine-Krieges, für das man auch die russische Führung braucht.

Wer von den beiden sich wohl mehr auf ein Wiedersehen freut?