Was für mich Krieg bedeutet. Ich stehe am Fenster einer Wohnung im dritten Stock an der Plaza de los Tres Culturas in Mexico-Stadt. Unten haben sich Tausende von Studenten, Kinder der hohen Schulen der Stadt, versammelt. Sie protestieren gegen die Ausgaben von Millionen für die Olympischen Spiele 1968 der Stadt, Geld, das ihrer Ansicht nach besser in die Wasserversorgung des Distrito Federal investiert worden wäre, in dem Hunderttausende ohne fliessendes Wasser vegetieren.

Die Jugendlichen machen Lärm, tanzen, singen.

Plötzlich rollen Panzerfahrzeuge der Polizei oder des Militärs von drei Seiten heran. Der Tanz unten verwandelt sich. Das kreischende Staccato von Maschinengewehren hat die jugendliche Lebensfreude von einer Sekunde auf die andere in einen Totentanz der Hölle verwandelt.

Heute, 55 Jahre später, wenn das Wort Krieg fällt, höre ich die Schreie der Studenten immer noch, sehe ihr Blut fliessen, fühle die eisige Kälte meiner Machtlosigkeit, angesichts der über 300 toten Kinder von Tlatelolco, die gegen Olympia protestierten.

Diese eisige Kälte der Machtlosigkeit nimmt von mir Besitz, wenn ich die elenden und hyperzynischen Berichte von «Journalistinnen» lese über die Friedensdemo von Berlin, wo angsterfüllte Menschen ihre Regierung baten, das Töten in der Ukraine doch nicht mit immer mehr Waffen noch zu alimentieren.

Da werden die um Frieden flehenden Menschen als «Selbstberuhigungsclique» (Tages-Anzeiger) niedergemacht, da wird ihre pazifistische Einstellung damit erklärt, sie wäre nur eine Anschluss-Suche an eine Herrschaft über die Mittel der Gewalt, die dem Aggressor die Hand reichen wolle. Mit ihm sei sie solidarisch und nicht mit jenen, die immer Angst hätten, das nächste Opfer zu sein.

Eine solche «akademische» und völlig bösartige und weltfremde Schilderung von Menschen, die gegen den Krieg protestieren, kann nur von «Journalistinnen» stammen, die den Krieg nur von der Schulbank zu kennen glauben, die noch nie das mörderische Hämmern eines Maschinengewehrs gehört haben, erlebt haben, wie Menschen in diesem Höllenfeuer um ihren letzten Atemzug röcheln und kämpfen.

Schreibtischtäter.

Wer in der Verlängerung eines Krieges eine Moral sucht und findet, hat das Töten nie erlebt.

Wer das Töten nie erlebt hat, sollte nicht jene beschimpfen dürfen, die gegen das Töten auf die Strasse gehen. Und wer einen Grund sucht, warum den Medien immer weniger geglaubt wird, warum wir noch nicht auf dem Höhepunkt der Medienkrise sind, findet ihn hier. Weil in den Medien immer mehr Leute sich tummeln, die ihre Wirklichkeit nur aus den Schulbüchern haben, nicht einmal mehr wissen, was Realität ist.

Die 3 Top-Kommentare zu "Medien als Schreibtischtäter: Journalisten, die den Krieg nie erlebt haben, sollten nicht jene beschimpfen dürfen, die gegen das Töten und für den Frieden auf die Strasse gehen"
  • hj.lachmann

    Bei unserem Bildungssystem kennen sie den Krieg ja noch nicht mal aus Schulbüchern, oder haben Freitags den Geschichtsunterricht geschwänzt, um die Welt zu retten, die sie jetzt in die Luft sprengen wollen.

  • antifaschist

    Bert Brecht: "Wer die Wahrheit nicht kennt und eine Lüge verbreitet, ist ein Dummkopf. Wer die Wahrheit kennt und eine Lüge verbreitet, ist ein Verbrecher." Diese gleichgeschalteten, presstituierten Lohnschreiber begehen geistige Verbrechen.

  • Der Michel

    Schreibverbote sind nutzlos, entsprechen nicht der FDGO - und in diesem Fall sind sie sogar kontraprouktiv: Lasst sie schreiben - sie schreiben sich selbst ins Abseits. Man muss sich nur den Zulauf zur Schwarzer/Wagenknecht-Petition angucken und zum Vergleich den zur Petition der "Gegenrede".