Zwei Jahre lang blockierten die nordirischen Unionisten die Bildung einer neuen Provinzregierung. Sie hatten gute Gründe, denn die EU zwang London faktisch eine innerbritische Grenze durch die Irische See auf. Damit wäre die Provinz zolltechnisch Teil der EU geworden, ein erster Schritt zur Vereinigung mit der Republik Irland. Genau dagegen kämpfen die Unionisten seit hundert Jahren unermüdlich.

Aber ihre Position wird zusehends schwächer, was die Wahl der ersten nationalistischen Regierungschefin Michelle O’Neill belegt. Ihr Vater war ein irischer Terrorist, ebenso zwei ihrer Cousins. Die Politikerin kommt aus einem militanten Milieu. Dennoch liess sich ihre Wahl nicht mehr verhindern, weil die Position der britischen Loyalisten zusehends schwächelt. Die nationalistische Bevölkerung wächst schneller als die britisch-loyale.

Längst steht die Hauptstadt Belfast unter dem Regime der irischen Sinn Fein, nunmehr dominiert die Partei sogar die gesamte Provinz politisch. O’Neill setzte zwar ein versöhnliches Zeichen, als sie die Krönung von Charles III. in London besuchte. Doch ein vereinigtes Irland bleibt ihr Lebensziel.

Dabei steht sie vor schier unlösbaren Aufgaben: Ihre neue Koalitionsregierung muss dringend den blockierten Versöhnungsprozess zwischen den Bevölkerungsteilen nach den troubles voranbringen. Sie muss zudem die Milliardensubventionen aus Westminster möglichst gerecht verteilen, ohne die nationalistische Seite zu bevorteilen. Daran wird O’Neill in ihrem neuen Amt gemessen.