«Wie Amerika die Nord-Stream-Pipeline ausschaltete»: So titelt der Investigativ-Journalist Seymour Hersh seinen Artikel, in dem er eine verdeckte und geheime Seeoperation beschreibt. Im Detail rekonstruiert er Schritt für Schritt das Attentat auf die Pipeline und kommt zum Schluss, dass die USA hinter den Explosionen an den Nord-Stream-Pipelines im September 2022 stecken, unterstützt von Norwegen.

US-Präsident Joe Biden habe die Operation höchstpersönlich in Auftrag gegeben, schreibt Hersh. Seine Entscheidung, die Pipelines zu sabotieren, sei nach mehr als neun Monaten streng geheimer Debatten innerhalb der nationalen Sicherheitsgemeinschaft in Washington getroffen worden. Die meiste Zeit sei es dabei nicht um die Frage gegangen, ob die Mission durchgeführt werden solle, sondern darum, wie sie durchgeführt werden könne, ohne dass die Verantwortlichen bekannt würden.

Hersh, 85 Jahre alt, hat in der Vergangenheit mehrere Skandale aufgedeckt und ist deshalb einer der prominentesten Analysten. Mitunter lag er mit seinen Recherchen aber auch falsch. So stellte er vor rund zehn Jahren in einem Artikel über die iranische Atombombe die Frage: «Wie gefährlich ist sie wirklich?» Seine Antwort damals: «Nicht sehr.»

Kurze Zeit nachdem der Artikel erschienen war, veröffentlichte die Internationale Atomenergie-Organisation aber einen Bericht, der das Gegenteil nachwies. Die Agentur bestätigte, was viele bereits wussten: Das iranische Regime verfolgt ein Atomwaffen-Programm.

Falsch lag Hersh auch bei seinem Bericht über die Giftgasangriffe in Syrien und der Skripal-Vergiftung.

Täuscht sich Hersh am Ende auch bei seiner neuesten Enthüllung, die weltweit für Aufsehen sorgte? Stecken die Amerikaner doch nicht hinter den Sprengungen der Nord-Stream-Pipelines, wie Hersh behauptet?

Sicher ist: Wie immer nennt Hersh auch bei seinem jüngsten Werk keine Quellen.

Transparent geht demgegenüber Oliver Alexander vor, ein dänischer Analyst. Er stützt seine Recherchen auf offene Quellen. Mit deren Hilfe weist er «Löcher in Seymour Hershs Rohrkrepierer» nach. Oberflächlich betrachtet sehe die Geschichte von Hersh zwar «passabel» aus, schreibt Alexander, aber wenn man tiefer grabe, «hat sie mehr Löcher als die Nord-Stream-Pipeline».

Die Details, die Hersh liefere, würden seine Geschichte auf den ersten Blick glaubwürdig erscheinen lassen, räumt Alexander ein. «Unglücklicherweise» für Hershs Darstellung sei das hohe Mass an Details aber auch der Punkt, an dem die gesamte Geschichte auseinanderfalle.

Angesichts der aussergewöhnlich hohen Geheimhaltungsstufe dieser Operation müsse man sich zum Beispiel fragen, warum die USA die norwegische Marine überhaupt daran beteiligt haben sollen. Im Artikel gibt Hersh an, dass die Sprengladungen durch eine Boje, die mit Unterwassermikrofonen ausgestattet ist, bei einem «scheinbar routinemässigen Flug eines P-8-Überwachungsflugzeugs der norwegischen Marine» abgeworfen worden sei.

Dies, schreibt Alexander, sei in vielerlei Hinsicht problematisch: Erstens werden die norwegischen P-8 nicht von der norwegischen Marine, sondern von der norwegischen Luftwaffe betrieben. Zweitens werden sie erst im Laufe dieses Jahres in den aktiven Dienst gestellt. Es hätte deshalb nichts «scheinbar routinemässiges» an sich, wenn eine norwegische P-8 direkt vor der Küste Bornholms Speziealbojen abwerfen würde.

Zweifel am Wahrheitsgehalt seien auch bei den Tauchleistungen angebracht, weil sie den Vorschriften im US-Tauchhandbuch widersprechen würden.

Wer also hat Nord-Stream-Pipeline in die Luft gesprengt?

Laut Alexander bleibt die Geschichte weiterhin offen. Eines aber sei sicher: Eine wichtige Sache habe Hersh nicht erwähnt. Falls Biden mit dieser Operation ausdrücklich Russlands Fähigkeit zerstören wollte, Deutschland mit Erdgas zu versorgen: «Warum wurden dann nur drei der vier Nord-Stream-Pipelines gesprengt?», wundert sich Alexander.

Und: «Warum sollte man eine der beiden Nord-Stream-2-Pipelines intakt lassen, wenn es sich dabei um jene handelte, die Russland in kürzester Zeit öffnen kann?»

Die 3 Top-Kommentare zu "Nord-Stream-Pipelines: US-Journalist Hersh macht Amerika für die Sprengung verantwortlich. Ein dänischer Analyst widerspricht"
  • Ach du meine Güte

    Alexander ./. Hersh. Das sind natürlich auch Argumente die Alexander anführt. Ob Marine oder Luftwaffe, deshalb wird eine mögliche Sprengung durch die USA nicht unwahrscheinlicher. Das stärkste Agument liefert Biden und seine Pressesprecherin selbst. Sie haben die Möglichkeiten das zu verhindert. Somit kann ich von dem Ganken nicht lassen, das die USA als Hauptverantwortliche für diesen Angriff stehen. Da muss man mich erst überzeugen. Am Besten mit Fakten.

  • burg

    Warum wird die Untersuchung dann nicht öffentlich, unter Teilnahme aller Länder, durchgeführt? I

  • wag59

    Auch ich glaube das die USA dahinter stecken. Wenn sie nur 3 der Pipelines sabotiert haben, dann könnte das mit einem Störfall während der Operation zu tun haben. Es ist nicht das erstmal, das geheimoperationen der USA in die Hose gehen. Ich erinnere an das Helikopter Debakel im Iran als sie Gefangenen befreien wollten und die Helis zusammen gestoßen und abgestürzt sind....