Zufälle gibt’s. Etwas mehr als eine Woche ist es her, da warf die Bild-Zeitung aus heiterem Himmel und ohne konkreten Anlass die Frage auf, was Frank-Walter Steinmeier als Bundespräsident tauge.

Weil: Er kann keine zündenden Reden halten.

Das weiss man allerdings seit knapp dreissig Jahren. So lange schon schläfert der Politiker Steinmeier die Öffentlichkeit mit seinen Reden ein.

Nur wenige Tage nach der Bild-Rüge verlautete – oh Wunder –, dass der Präsident an einer grossen Blut-Schweiss-und-Tränen-Rede arbeite.

Nun hat er diese Rede gehalten, und man kann festhalten: Bild hatte recht. Er kann es nicht.

Erstens, das Format. Angekündigt war eine Rede an die Nation in schwierigen Zeiten. Doch gehalten wurde sie im familiären Rahmen vor 120 handverlesenen Gästen. Darunter herausragende Repräsentanten des deutschen Volkes wie der neue ukrainische Botschafter oder der Irokesen-Blogger Sascha Lobo.

Zweitens, der Redner. Steinmeier hat die Ausstrahlung einer Klarsichthülle, nur ohne deren Transparenz. Aus seinem Mund klänge selbst Cicero wie ein Sparkassen-Filialleiter bei der Pensionierung eines Mitarbeiters.

Drittens, die Rede. Aus dem Text hätte auch kein Gregor Gysi Honig saugen können. Die Aneinanderreihung von Plattitüden, Gemeinplätzen und Belanglosigkeiten wurde oft eingeleitet mit dem ominösen Personalpronomen «wir», das in Politikerreden jeden in die Pflicht nimmt ausser den Redner.

Persönlich wurde Steinmeier nur, wenn er vom Bürger Gefallen einforderte: «Ich bin jedem dankbar, der an mehr denkt als nur an sich selbst.» Er, nicht wir. Banaler hätte man Kennedy («Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, frage, was du für dein Land tun kannst.») nicht verballhornen können.

Allerdings schien dieser Satz als Kernaussage gedacht. Warum sonst hätte die Verfasserin, Ex-Journalistin Cerstin Gammelin, ihn stolz in alle Welt getwittert?

Als roter Faden zog sich irgendwie der Wind durch die Ansprache. Rückenwind einst und Gegenwind jetzt. Das passte. Denn Steinmeiers historische Rede bestand aus Luft. Sie war noch nicht mal heiss, sondern bestenfalls lauwarm.