Die «UN-Kommission zur Förderung von Frauen» wird in den nächsten zwölf Monaten von Abdul Aziz al-Wasil geleitet, einem Spitzendiplomaten aus Saudi-Arabien. Dass ausgerechnet ein Saudi die Uno-Kommission zur Frauenförderung präsidieren soll, wird weitherum scharf kritisiert. «Für uns ist dies ein Schock, wenn auch keine Überraschung», sagte zum Beispiel Natalie Wenger, die bei Amnesty Schweiz unter anderem für Saudi-Arabien zuständig ist. Riad betreibe mit viel Geld eine Imagekampagne dafür, sich als modernes Land zu präsentieren. «Das sind aber Gesten, die keine Substanz haben.»

Kommentare in den Medien klingen ähnlich. Doch die Skeptiker und Kritiker irren.

Sie übersehen den grossen Sprung nach vorne: Keine Regierung hat für die Gleichberechtigung von Frauen mehr getan und erreicht als Saudi-Arabien. In der stockkonservativen Gesellschaft ist das nicht einfach. Die Saudis verdienen deshalb Anerkennung für die Fortschritte, die sie in den vergangenen fünf Jahren durchgesetzt haben – auch wenn es noch viel zu tun gibt.

Seit die Regierung vor acht Jahren die Vision 2030 mit dem Plan für wirtschaftliche und soziale Reformen von Kronprinz Mohammed bin Salman vorgestellt hat, wurden im Eiltempo eine Reihe dramatischer Veränderungen durchgesetzt. So fiel das jahrzehntealte Fahrverbot für Frauen, die Kleiderordnung wurde gelockert und gleiche Löhne gefordert. Frauen dürfen jetzt am Meer joggen und arbeiten in Berufen, die früher Männern vorbehalten waren – wie etwa beim Militär und bei der Polizei.

Der Fortschritt lässt sich auch statistisch nachweisen: 2017 – im Jahr nach dem Start der Vision 2030 – betrug der Anteil der Frauen an der saudischen Erwerbsbevölkerung 17,6 Prozent. Bis 2021 war dieser Anteil auf 35,6 Prozent gestiegen. Frauen bekommen im sich wandelnden Saudi-Arabien mehr Jobs als je zuvor, titelte Bloomberg Markets.

An den Universitäten sind saudische Frauen ebenfalls stark vertreten: 2021 machten zum Beispiel 41,6 Prozent der Frauen einen Hochschulabschluss in den Bereichen Naturwissenschaften, Technologie, Ingenieurwesen und Mathematik – der vierthöchste Wert unter allen Ländern, zu denen die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Daten erhebt.

Gelockert oder ganz abgeschafft wurde auch das «Guardian»-System, das Frauen früher unter männliche Vormundschaft gestellt und ihnen vieles verwehrt hatte. Jetzt können sie ihren Pass und Führerschein beantragen und ins Ausland reisen, ohne dass der «Guardian» das bewilligen muss. Über eine App wird er allerdings informiert, wenn seine Ehefrau an der Passkontrolle steht.

Saudische Frauen sagen zudem, dass es einfacher geworden sei, sich scheiden zu lassen und das Sorgerecht für ihre Kinder zu erhalten. Sie benötigen zwar nach wie vor die Zustimmung eines männlichen Vormunds, um zu heiraten, so wie das in vielen arabischen Ländern vorgeschrieben ist. Aber einige haben sich erfolgreich ans Gericht gewandt, um ihre Vormünder zu überstimmen, falls diese ihre Hochzeit verhindern wollten.

Studieren, Auto fahren, reisen und arbeiten ohne Erlaubnis eines männlichen Vormunds: Wer die Wahl von Abdul Aziz al-Wasils an die Spitze der Uno-Kommission zur Frauenförderung kritisiert, übersieht die zahlreichen Fortschritte für Saudi-Arabiens Frauen in den vergangenen Jahren.

Die 3 Top-Kommentare zu "Saudi-Arabien präsidiert die Uno-Kommission für Frauenförderung – und die Weltöffentlichkeit tobt. Dabei ist der Entscheid nicht verkehrt"
  • Röbi

    Die Welt wäre ohne UNO und WHO wesentlich weniger verlogen ...

  • einer unter vielen

    Solange Religion und Staat nicht getrennt werden ist alles nur Heuchelei. Der Islam ist mitunter die aggressivste Religion die es gibt. Aber das merkt ihr dann spätestens, wenn die bei uns in der Mehrheit sind. In welche Richtung es dann geht, sieht man heute schon.

  • turbopeter

    Der Westen soll mal nicht so hochnäsig sein. Gerade die Schweiz sollte ganz still sein. Wie war es denn bei unehelichen Kindern, da hatte man den Frauen diese weggenommen und als billige Arbeitskraft an Bauern weiter gegeben. Auch das Frauen Wahlrecht ist auch noch nicht so lange eingeführt. Familien, die wegen der Hungerszeit, nach Südamerika ausgewandert sind, hat man zugesagt, solange du den Schweizer Pass hast, auch deren Kinder, können wieder zurück kommen. Pustekuchen.