Am Donnerstag tagte der UN-Sicherheitsrat – und die Schweiz feierte Premiere an einer «Dringlichkeitssitzung». Diese war einberufen worden, nachdem der frisch ernannte israelische Minister Itamar Ben-Gvir am Dienstagmorgen während dreizehn Minuten den Tempelberg besucht hatte, was die meisten Länder als Provokation verurteilten, die einen neuen Waffengang auslösen könnte.

Pascale Baeriswyl hatte Pech. Die Chefin der Ständigen Mission bei der Uno, die in den nächsten zwei Jahren die neutrale Schweiz im UN-Sicherheitsrat vertreten wird, hatte gleich bei ihrem ersten Auftritt im komplexen – manche würden sagen unlösbaren – Nahostkonflikt Farbe zu bekennen. Sollte sie sich der israelischen Interpretation anschliessen, die Ben-Gvirs Kurzvisite auf dem Tempelberg als Bagatelle abtut, oder mit arabischen und westlichen Staaten einiggehen, die den kurzen Besuch des Rechtsaussen-Ministers auf dem Tempelberg als Verstoss gegen den Status quo anklagen? Dieser erlaubt es Juden seit dem Sechstagekrieg von 1967, den Ort zu besuchen, aber nicht, dort zu beten.

Doch Baeriswyl hatte Glück im Unglück. Sie musste bei der Streitfrage, ob Ben-Gvir den Status quo gebrochen habe, weder Ja noch Nein sagen. Sie konnte sich mit der vagen Aussage begnügen, dass der Besuch ein «Grund zur Sorge» sei. Die Mitglieder des Sicherheitsrats äusserten sich ebenfalls «besorgt» und betonten die Notwendigkeit, den Status quo auf dem Gelände der Al-Aqsa-Moschee in Jerusalem aufrechtzuerhalten. Doch der Sicherheitsrat verpflichtete sich nicht zu irgendwelchen Massnahmen. So dringlich war die Sitzung denn offenbar doch nicht. Die Welt, zusammen mit der Schweiz, kann aufatmen.