Von allen Journalisten hat es der Kolumnist am leichtesten. Er sollte einigermassen luzide schreiben können, aber andere Talente sind hinderlich. Die Genauigkeit des Redaktors, die Sachkenntnis des Analytikers, die Hartnäckigkeit des Rechercheurs, den genauen Blick des Reporters – braucht es alles nicht.

Jan Fleischhauer ist einer der begnadetsten Vertreter dieses Genres in Deutschland. Doch manchmal übertrifft er sich selbst. Soeben hat er eine Kolumne über die Schweiz verfasst («E bitzeli käuflich, e bitzeli feig: So ist sie, die Schweiz. Leider.»), die Lehrmaterial an Journalistenschulen sein sollte. Denn sie enthält den ganzen Mix: Vorurteile, Gehässigkeiten, Häme und keinen Funken Wissen.

Dafür lässt er kein Klischee aus, das je über die Schweiz in die Welt gesetzt worden ist: Uhren, Käse, Berge, Schliessfächer, miese Geldgnome. Nur die Schoggi fehlt. Warum? Feixend klopft sich da der deutsche Leser auf die Schenkel: Jawollja, so ist er, der Schweizer. Ein verschärfter Schwabe. (Ja, auch diesen Vergleich verkneift sich der Autor nicht.)

Man erfährt aber auch Neues. Etwa, dass Fledermäuse nicht auf Schweizers Speisekarte stehen und Schweizer nur wegen des zivilisierenden Einflusses ihrer französischen, italienischen und österreichischen Nachbarn nicht wie Chinesen auf den Boden spucken. Wer hätte das gedacht?

Aber wo sind die deutschen Nachbarn? Sind sie selbst nicht zivilisiert genug dafür, aus dem rückständigen Bergvolk ebenfalls Menschen zu machen? Nein, sie blicken wie Fleischhauer von aussen in das Land hinein wie in einen Fondue-Topf: naserümpfend, beckmessernd, besserwisserisch.

Und was sie sehen, dreht ihnen den Magen um. Denn in diesem Land, da fühlt sich vor allem der russische Oligarch wohl. In der Schweiz findet er «urige Chalets, teure Uhren, viele Millionäre, mit denen er sich messen kann, und gemässigte Temperaturen, die seiner Körperfülle entgegenkommen», schreibt der Schweiz-Kenner und Experte für russische Physiologie.

Apropos Physiologie: «Die Mädchen gibt’s obendrauf!», beschliesst Fleischhauer seinen anthropologischen Ausflug mit einem schlüpfrigen Scherz. Obendrauf! Auf dem schwitzenden Fleischberg! Kapiert? Da klatscht sich der Leser gleich noch mal auf den Schenkel.

Schweizer sind zutiefst unmoralisch, ganz besonders, wenn sie der Schweizerischen Volkspartei nahestehen: Bei denen reicht die Moral nur «bis zum nächsten Geldautomaten». Da hat der Rest der Nation noch mal Glück gehabt. Die meisten haben sowieso kein Geld. Denn hier gibt es «jeden erdenklichen Luxus» nur für jene, «die es sich leisten können». Die Schweiz, ein Armenhaus?

Generell kommt der Schweizer freilich nicht in der SVP «zu sich selbst», sondern in den Grünen. Aha, er ist also selbstgerecht, bevormundend und staatsgläubig? Nein: «Ein bisschen käuflich, ein bisschen feige, aber dafür immer unterwegs mit erhobener Nase.» Kann es sein, dass unser Kolumnist nicht nur keine Ahnung von den Schweizern hat, sondern auch von den Grünen?

An die erhobene Nase darf er sich freilich selber fassen. Als Deutscher den Schweizern ihr Verhalten während des Zweiten Weltkrieges vorzuhalten, ist pikant. Die Politik des Bundesrates bewahrte die Schweiz davor, unter den Stiefel einer Diktatur zu geraten, und Schweizer Juden vor der Deportation nach Auschwitz. Das ist nicht wenig.

Aber um das zu erkennen, müsste man sich mit dem Thema beschäftigt haben. Aber wie lautet doch der alte Kolumnisten-Spruch? Wissen belastet.

Die 3 Top-Kommentare zu "Vorurteile, Gehässigkeiten, Häme und kein Funken Wissen: Deutscher Kolumnist zieht gegen die Schweiz vom Leder"
  • Betrachtung

    Drei Jahre lang habe ich als Deutscher in der Schweiz gearbeitet und was mich dort am meisten beeindruckt hat, war die direkte Demokratie : Die zahlreichen Themen, über welche meine Kollegen und Klienten abstimmen konnten. Das kommt in Herrn Fleischhauers Beitrag gar nicht vor. Sehr unsympathisch wurde mir dieser Journalist, seit er in einer Diskussionsrunde während der Corona-Zeit forderte, man solle Ungeimpfte mit Atemnot nicht in der Notaufnahme eines Krankenhauses aufnehmen.

  • mr roof

    Liebe Schweizer, bitte ärgert euch nicht über so einen Wicht der es im Leben zu nichts gebracht hat was nach seinem Ableben noch erwähnenswert wäre. Über uns Ostdeutsche werden seit über 30 Jahren Güllekübel ausgeschüttet und das hat uns überwiegend davor bewahrt, jenes kritische Denken abzulegen was uns in der jetzigen Zeit das Leben retten wird. Ihr habt ein tolles Land mit tollen Menschen. Es muß Euch daher nicht kratzen wenn Kleingeister wie dieser anfangen zu klaffen.

  • arouet

    Der Burda-Verlags- bzw. Focus-Kolumnist Jan Fleischhauer gehört mehreren unter dem Einfluss Washingtons stehenden Netzwerken an (auch wenn er inzwischen kein offizielles Mitglied der Atlantikbrücke mehr ist), und diese Netzwerke, die immer schon Druck auf die Schweiz gemacht haben (um sie zu animieren sich Washington zu unterwerfen), diese Netzwerke haben in den letzten Wochen ihren Druck erhöht. Fleischhauer ist also wohl nicht verrückt geworden, sondern vermutlich wohl einfach bloß linientreu.