Diese Rede hielt Katalin Gennburg, Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus von der Fraktion Die Linke, am 7. März 2024. Wir dokumentieren sie im Wortlaut.

Vielen Dank, Herr Präsident. Liebe Kolleginnen und Kollegen. Endlich ist es so weit: Wir reden über eine der wichtigsten Infrastrukturen der Stadt und unseres öffentlichen Berliner Raumes, über unsere Stadttoiletten. Wer hätte das gedacht? Fünf Jahre lang reden wir schon im Ausschuss darüber, viele Initiativen sind auf den Bäumen und sagen: Wie kann es eigentlich sein, dass in Berlin die Benutzung der Toiletten Geld kostet? Wieso ist die Ausstattung berlinweit so unterschiedlich und so schlecht? Es muss anders gehen, und andere Städte machen es vor.

Deswegen setzen wir diesen Antrag jetzt auf die politische Tagesordnung. Ich bin sehr froh darüber. Viele Initiativen haben daran mitgewirkt, und jetzt, mit Blick auf den morgigen 8. März, ist das doch ein richtig starkes Signal!

Es geht um Teilhabe für alle. Es geht nicht nur um Frauen. Es geht um Komfort, um Mobilität – zum Beispiel für Menschen mit Harninkontinenz – und um Barrierefreiheit. Es geht auch um Feminismus. Dazu werde ich gleich etwas sagen.

Wir haben die letzten Jahre gemeinsam in breiten Bündnissen in der Stadt gewirkt, und ich möchte einige davon nennen, die hier für die Pinkelgerechtigkeit in Berlin auf die Strasse gegangen sind: Das Buschfunk-Bündnis, das Klo:lektiv, Kritische Geografinnen, die Seniorenvertretungen der Bezirke – sprechen Sie mal mit denen! – oder auch das Netzwerk für nachhaltige Sanitärsysteme, die sehr klar sagen: Mit Missoir und Ökotoiletten, es muss eine andere Versorgung geben.

Wir hatten letzte Woche auch schon die Anhörung dazu im Umweltausschuss. Das war unglaublich spannend, denn die Beiträge haben eben die gesamte Palette abgedeckt: die Frage der Verfügbarkeit für alle Menschen, die in dieser Stadt leben – Jung und Alt, Arm und Reich, Menschen mit und ohne Behinderung – , aber eben auch die Frage der Ökologie: Was macht das eigentlich, wenn die Wall-Toiletten in ganz Berlin nicht nur Geld kosten und damit Menschen aktiv von der Benutzung ausschliessen, sondern zusätzlich auch Chemietoiletten sind? Das ist natürlich ein Problem. Wieso steuern wir da nicht um? Genau das setzen wir jetzt mit diesem Antrag im Berliner Abgeordnetenhaus auf die politische Tagesordnung, und das finde ich richtig gut!

Ich finde, wir müssen auch darüber reden, wie es eigentlich mit der Schutzgebühr aussieht. Es gibt ja die sogenannte Schutzgebühr, die in diesen Stadttoiletten erhoben wird. Da müssen wir mal darüber reden, dass dieser Name «Schutzgebühr», dieser Begriff, ja nicht zufällig gewählt wurde. Es geht darum, die Toiletten vor Menschen zu schützen, die die Toilette eventuell nicht in dem Sinne nutzen, für den sie gebaut ist.

Wir haben darüber schon viel gesprochen, und eines ist klar: Wir haben in dieser Stadt ein riesiges Problem mit Obdachlosigkeit, aber wir können doch nicht die Toiletten versperren und sagen: In den Toiletten dürfen Sie aber bitte nicht wohnen – und damit die Toilette für alle gleichermassen zu verschliessen, denn das ist eine unsoziale Politik. Wir müssen die Obdachlosigkeit bekämpfen und nicht die Toiletten versperren. Das ist unsere klare linke Ansage an dieser Stelle.

Wir sagen auch, dass die Kartenzahlung, die in der letzten Legislaturperiode eingeführt wurde, nicht okay ist. Wir als Linke haben uns auch in der Koalition in den letzten Jahren sehr mit den anderen Beteiligten darüber gestritten und gesagt: Eine Kartenzahlung ist nicht okay. Was erzählst du denn dem zehnjährigen Kind, das unterwegs auf die Toilette muss und zufällig – nein, eher unzufällig! – keine Karte dabei hat? Wir sehen, all diese Mechanismen des Ausschlusses sorgen nur dafür, dass am Ende niemand mehr die Toiletten benutzen kann. Des Pudels Kern ist aber natürlich die Frage: Wieso haben Penisträger und Penisträgerinnen in dieser Stadt einen privilegierten Zugang zu Stehpissoirs und Sitzpinklerinnen und Sitzpinkler haben diesen privilegierten Zugang nicht, denn die müssen sich, wenn sie auf eine Toilette gehen wollen, eben hinsetzen und dann auch dafür zahlen.

Das heisst, wer ein Pissoir benutzen kann, weil er körperlich so gebaut ist, kommt kostenlos rein, und alle anderen müssen zahlen. Hier sagen wir sehr klar: Das geht so nicht weiter. Wir müssen diese Ungerechtigkeit unbedingt bekämpfen, und das ist ganz einfach. Wir müssen einfach nur alle Toiletten für alle gleichermassen kostenfrei machen. Andere Städte machen es vor, Paris allen voran. Darüber haben wir schon tausendmal gesprochen. Auch andere Städte zeigen, dass es so geht. Ich möchte mit einem Zitat von Frau Kannenberg aus der Seniorenvertretung Steglitz-Zehlendorf schliessen, die im Ausschuss sehr klar gesagt hat: «Ein Euro für einen Toilettengang ist inakzeptabel.» – Genau so ist es. Danke schön!

Die 3 Top-Kommentare zu "«Wieso haben Penisträger*innen einen privilegierten Zugang zu Stehpissoirs?»: Berliner Linken-Politikerin kämpft gegen die Benachteiligung von Sitzpinklerinnen"
  • Ezechiel

    Ist das ein Aufstand in einer geschlossenen Psychiatrie?

  • Holymoly

    In China ist ein Sack Reis umgefallen!

  • Ludwig Detusch

    Natürlich ist ein Euro für einen Toilettengang inakzeptabel. Aber die Leute können ja auch einfach wieder dahin machen wo sie grade sind, wenn es sie ankommt. Und wegmachen darf dann ein anderer, wie früher. Soweit ich mich erinnere gab's früher durchaus öffentliche Toiletten, auf denen man sein Geschäft kostenlos verrichten konnte, wenn auch nicht in immer ganz sauberer Umgebung.