Wenn sich Deutschland auf die Couch legte, lautete die Diagnose: Depression. Und jeder weiss, dass so ein Patient nicht allein aus seinem Labyrinth der Traurigkeit herausfindet. Da muss ein Psychiater ran. Einer, der weiss, dass es so schlecht, wie die Deutschen gerade stöhnen, gar nicht um sie bestellt ist. Er müsste auch gar nicht lange suchen, sondern diese fünf Gründe sprechen dafür, dass es längst wieder bergauf geht:

Erstens: Das Bruttoinlandsprodukt, jener Wert, der das Wachsen und Schrumpfen der Volkswirtschaft misst, ist im zweiten Quartal 2023 gegenüber dem davor nicht weiter gesunken. Das ist nach zwei Quartalen in Folge, in denen die Wirtschaftsleistung zurückgegangen war, die Trendwende.

Zweitens: Die Inflation ist furchtbar, aber sie ist ein klitzekleines bisschen weniger furchtbar als im vergangenen Monat. 6,1 Prozent betrug sie im August nach 6,2 Prozent im Juli. Das geht jetzt schon ein Weilchen so. Zugegeben: In dem Tempo brauchte das Land noch vier Jahre, um sicher im grünen Bereich zu landen, aber es ist wie bei einer Vollbremsung: Wertvolle Zeit vergeht, bis der Fahrer überhaupt reagiert. Und das haben die Deutschen hinter sich. Die Europäische Zentralbank reagiert inzwischen heftig.

Drittens: Der DAX, der die Entwicklung der vierzig wertvollsten deutschen börsengelisteten Unternehmen spiegelt, hat innerhalb der vergangenen zwölf Monate – der Zeit also, die die Deutschen mit Klageschreien verbracht haben – 24 Prozent zugelegt, innerhalb von fünf Jahren sogar um mehr als 30 Prozent. Wenn gilt, dass an der Börse Erwartungen gehandelt werden, bedeutet das: Die Welt glaubt an Deutschland.

Viertens: Die Elite der deutschen Industrie überzeugt dieser Tage mit Halbjahresgewinnen, die teils rekordverdächtig sind. Henkel ist so ein Konzern. Bei näherer Betrachtung sieht man, dass Preiserhöhungen der Produkte um rund 14 Prozent zu den höheren Margen geführt haben und zu einer Steigerung des Nettogewinns um glatte 28 Prozent. Lufthansa macht es ähnlich. Versicherer wie Munich Re und Allianz verdienen sowieso immer Geld, solange sie es nur minimal richtig anlegen. Und DAX-Neumitglied Rheinmetall ist als Rüstungskonzern ein Kriegsgewinnler, aber auch die muss es geben.

Fünftens: Die Deutschen sind treue Seelen. Sie halten zu ihren Betrieben und die zu ihnen. Die Fluktuationsrate liegt selbst im notorisch flatterhaften Einzelhandel nur bei etwa 11 Prozent, in den USA sind es in dieser Branche dreimal mehr. Wer zwischen Flensburg und Berchtesgaden Mitarbeiter findet, kann darauf zählen, dass sie nicht für eine Handvoll Euro zum nächsten Arbeitgeber ziehen. Das Phänomen hat viel mit einer mittelständischen Haltung zu tun, in der jeder weiss, wie es dem anderen ergehen würde, wenn er ihn – oder sie – hängen lässt.

Es gibt also Gründe, die Depression abzuschütteln. Der Patient muss jetzt nur noch wollen.

Die 3 Top-Kommentare zu "Wirtschafts-Wunder Deutschland: Fünf Gründe, warum es um die deutsche Industrie besser steht, als die Medien schreiben"
  • bernhardt

    Klar, die Hoffnung stirbt zuletzt. Doch wenn man sich das Wirken der Ampel-Regierung anschaut, kann einem nur noch schlecht werden. Die Ampel tut alles für Umverteilung. Fast nichts zur Stärkung der Leistungsträger. Im Gegenteil. Dort holt sie sich die Gelder für ihre utopischen Träumereien.

  • burko

    Zu viele Wenn's und Aber's trüben die hoffnungsvollen Prophezeiungen. Die Marktbedingungen sind nicht mehr die vorherigen und die Staatsverschuldungen exbandieren. Ob sich die Depression in der gewünschten Schnelligkeit abschütteln lässt und die Geldverknappung wirkt, muss sich m. E. erst noch erweisen.

  • onckel fritz

    Der Niedergang ist also etwas langsamer, durch Preissteigerungen werden höhere Gewinne erzielt und der Optimistfink schlägt im Blätterwald? Na, dann kann das Heiz-mit-Strom-Gesetz ja kommen! Schon Otto Reutter sang: „Es geht mir in jeeeder Hinsicht mit jedem Tag immer besser und besser und besser und besser!“