Lithium kommt vor allem aus Chile, seltene Erden werden bevorzugt in China gefördert und Kobalt in der Demokratischen Republik Kongo. Es sind vor allem diese Rohstoffe, von denen die Elektromobilität weltweit abhängt. Denn sie eignen sich, zusammen mit Nickel, bisher am besten für Batterien zum Antrieb reichweitenstarker E-Autos.

Mittlerweile ist sogar eine Art geopolitischer Wettlauf um diese Lebenselixiere der Elektromobilität entbrannt. Der Wettlauf beschränkt sich dabei nicht nur auf den Zugang zu den jeweiligen Minen, sondern auch zu den Metallen, die bereits im Umlauf sind. Denn diese sollen möglichst recycelt werden. China beispielsweise unterbindet den Export von gebrauchten Batterien, damit deren Rohstoffe im Land bleiben. Dazu kommt die Tatsache, dass die Produktion der Batteriezellen bislang in China und Südkorea konzentriert ist.

 

Werthaltige Bauteile

Inmitten dieser Gemengelage ist das Rohstoffunternehmen Glencore mit Sitz in Baar. Glencore ist eines der bedeutendsten Rohstoffunternehmen der Welt. Die Gruppe ist im industriellen Bergbau tätig und handelt mit über sechzig verschiedenen Rohstoffen, darunter Kupfer, Kobalt, Nickel und Zink, sowie mit Energieprodukten.

Weniger bekannt ist, dass Glencore im Recycling von Elektroschrott – wozu zunehmend die ausrangierten Batterien von Elektroautos gehören – ebenfalls eine bedeutende Rolle spielt. Die Wiederaufbereitung von Metallen aus den elektronischen Abfällen der Zivilisation trägt nach Einschätzung des Unternehmens derzeit rund 200 bis 250 Millionen Dollar zum jährlichen Gewinn vor Steuern und Abschreibungen (EBITDA) bei.

Finanzanalysten sind der Meinung, dass sich dieser Betrag innerhalb der nächsten Jahre vervielfachen wird. Denn der Boom von Elektroautos begann erst vor wenigen Jahren. Es wird geschätzt, dass die Batterie eines E-Autos nach etwa 200 000 Kilometern so stark abgenutzt ist, dass sie recycelt werden sollte. Zusammengenommen bedeutet dies, dass etwa ab dem Jahr 2030 massenweise Batterien für das Recycling bereitstehen werden. Und die Batterien sind vielfach die teuersten und werthaltigsten Bauteile eines Elektroautos; sie kosten rasch etliche zehntausend Franken.

Hendrik Fitschen - Recycling Europa, Glencore

 

«Gut positioniert»

Die UBS geht in einem Analystenbericht von einer Vervierfachung von Glencores Recycling-Geschäft in den nächsten fünf Jahren aus und schreibt, dass die Firma dafür «gut positioniert» sei. Dies unter anderem deshalb, weil das Unternehmen bereits die entsprechenden Schmelzöfen und Raffinerien besitzt. Die Schmelzanlage Horne in Kanada etwa beziehe bereits heute zirka 15 Prozent ihres Ausgangsmaterials aus Elektroschrott, schreiben die Analysten weiter.

Die Weltwoche hat mit Hendrik Fitschen gesprochen. Er ist bei Glencore für den Ausbau des Recycling-Geschäfts in Europa zuständig. In seiner über zehnjährigen Laufbahn bei dem Unternehmen entwickelte sich der Betriebswirt zunächst zum Frachtexperten, bevor er sich auf das Thema der Wiederaufbereitung von Metallen spezialisierte.

«Am Anfang jedes Batterie-Recyclings steht die mechanische Aufbereitung der Batterien», sagt Fitschen. Dabei werden die Batterien maschinell zerlegt und geschreddert. Bei der Zerkleinerung werden Kupfer, Aluminium und Kunststoff von der Schwarzmasse getrennt. Diese enthält Nickel, Kobalt und Lithium, also Rohstoffe, die aufgrund der geografischen Konzentration der Bezugsquellen und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung von der EU als kritisch klassifiziert wurden («Critical Raw Materials»).

Die Schwarzmasse lässt sich auf zwei Arten weiterverarbeiten, um die Metalle voneinander zu trennen: mit dem pyrometallurgischen oder mit dem hydrometallurgischen Verfahren. Bei der pyrometallurgischen Methode werde die Schwarzmasse eingeschmolzen, so Fitschen. Dies sei ein Verfahren, das Glencore seit Jahren erfolgreich in seiner Anlage Sudbury in Kanada betreibe. Ein Nachteil: Das Lithium geht beim Schmelzprozess mit Temperaturen von über tausend Grad Celsius verloren.

Bei der hydrometallurgischen Verarbeitung kann neben dem Kobalt und dem Nickel auch das Lithium zurückgewonnen werden. «Das hydrometallurgische Verfahren ist ein erprobter chemischer Prozess, der vor allem in Asien bereits im industriellen Massstab betrieben wird. Europa hinkt noch etwas hinterher», erklärt Fitschen. Mit dem Ausbau der Recycling-Aktivitäten in Europa möchte Glencore das ändern und mit seinen teils bereits bestehenden Recycling-Anlagen und Raffinerien eine europäische Kreislauflösung anbieten.

Doch wie verhält sich die Umweltbilanz einer Batterie, die aus recycelten Metallen besteht, im Verhältnis zu einer, die aus neu geförderten Metallen aus dem Bergbau, sogenanntem Primärmaterial, hergestellt wird? Pauschale Aussagen in Bezug auf die gesamte Batterie möchte Fitschen keine machen. «Man muss den ganzen Prozess anschauen: Welches Recycling-Verfahren kommt zur Anwendung? Welche Substanzen werden dafür benötigt, woher kommen diese, und wohin müssen sie für die Zellproduktion weitergeschickt werden?» Ähnliches gelte auch für neu geförderte Metalle. «Welchen ökologischen Fussabdruck weist die jeweilige Mine auf, welchen die Transporte?»

Im Allgemeinen sei es so, dass ein regionaler Kreislauf zur Aufbereitung von Batterien weniger Emissionen freisetze als neu geförderte Metalle, die von Südamerika und Afrika nach China gebracht und dort zu Batterien verarbeitet werden, ehe sie den Weg etwa in den Westen finden. In den USA und in Europa tätigt Glencore Investitionen, um die Entstehung regionaler Rohstoff-Kreisläufe für Metalle aus Autobatterien zu unterstützen. Im April kündigte das Unternehmen gemeinsam mit der spanischen Iberdrola ein entsprechendes Projekt für Portugal und Spanien an. 2022 hat sich Glencore mit 200 Millionen Franken am kanadischen Unternehmen Li-Cycle beteiligt, einem Industriepionier für Batterie-Recycling. Derzeit führen die Firmen eine Machbarkeitsstudie durch, um die Umrüstung einer Schmelzanlage in Sardinien für das Recycling mittels hydrometallurgischer Verfahrenstechnik zu prüfen. Auch für andere europäische Standorte laufen Gespräche.

«Europa ist daran, Recycling-Anlagen aufzubauen. Rückendeckung der Behörden ist dabei essenziell.»«Europa ist derzeit mit Hochdruck daran, Recycling-Anlagen aufzubauen», sagt Hendrik Fitschen, «Rückendeckung der Behörden ist dabei essenziell.» Die Produktion von Batteriezellen findet aber vorwiegend in Asien statt. Ist das ökologisch und geopolitisch nicht suboptimal? «Ja», sagt Fitschen, «eine Schlüsselfrage für die hiesige Elektromobilität ist daher, ob es Europa gelingt, die Zellproduzenten und deren Zulieferer von aktiver Masse in nennenswertem Umfang anzuziehen.»

Durch das Wachstum der Elektromobilität wird auch die Nachverfolgbarkeit der Rohstoffe ein immer wichtigeres Thema. Deshalb sei Glencore Mitglied der Global Battery Alliance, die ein Konzept für den «Battery Passport» formuliert hat. «Dabei handelt es sich um ein standardisiertes System auf Blockchain-Basis, in dem relevante Informationen zur Herkunft der Rohstoffe einer Batterie enthalten sind», so Fitschen. Daran beteiligt ist auch eine grosse Zahl von Zell- und Batterieherstellern.

Mit rezyklierten Metallen allein, da ist sich Hendrik Fitschen sicher, lasse sich der Übergang zur Elektromobilität allerdings nicht bewerkstelligen. «Bis weit über 2030 hinaus sind wir auf eine Kombination aus Primärmaterial aus dem Bergbau und aus wiederaufbereiteten Rohstoffen für Batterien angewiesen.»

Die 3 Top-Kommentare zu "«Urban Mining» im Elektroauto"
  • herby51

    Lithium ist nicht abbaubar.Wird nicht ein Weg gefunden das Lithium zu Recyclin steuern wir auf eine riesige Umweltkatastrophe zu.

  • Herbert Wolkenspalter

    Glencore wird mit seinen Investitionen Pech haben, wenn die Leute keine E-Autos kaufen. Darauf läuft es nämlich hinaus bei unserer Energiepolitik.

  • juege

    Wieviel Energie (und welche) wird dafür benötigt und woher kommt die?