Stephan Eicher findet sich auf der Anklagebank wieder – auf SRF muss er sich dafür rechtfertigen, weshalb er es wagte, das Liedgut des Berner Barden Mani Matter neu zu interpretieren und dabei (vermeintlich) diskriminierende und rassistische Ausdrücke nicht retuschiert (neudeutsch: gecancelt) hat.
Oder mit anderen Worten: Darf man heute noch «Eskimo» singen, und müsste der Text von «Dr Sidi Abdel Assar von El Hama» nicht umgeschrieben werden?
Der Berner, einer der letzten echten Poeten des gesungenen Wortes, argumentiert plausibel: Es wäre ein Frevel, die Texte Matters posthum umzuschreiben, schliesslich stammten sie aus einer Epoche, als dem noch nichts Anrüchiges angehaftet habe.
Eicher auf SRF: «Es gab eine Zeit, in der wir alle glaubten, die Erde sei flach. Dennoch wird dieser Moment nicht aus den Geschichtsbüchern gestrichen. Wichtig ist, dass wir uns darüber unterhalten und uns des Kontexts bewusst sind, in dem diese Texte entstanden sind.»
Es gibt auch noch eine ganz triviale Erklärung: Inuit, die politisch korrekte Bezeichnung für indigene Menschen aus dem arktischen Raum, reimt sich weder auf «Djembalo» noch auf «Radio» oder «scho».
Mani Matter kam 1972 bei einem tragischen Autounfall ums Leben. Heute wäre er 87 Jahre alt – und müsste sein herausragendes künstlerisches Vermächtnis wohl radikal überarbeiten. Das Lied «Psyche vo dr Frou» hätte in jedem Gleichstellungsseminar einen sehr schweren Stand – und «Hie ir Schwyz» würde in Bundesbern vermutlich als Frontalangriff auf die Parlamentsarbeit wahrgenommen. «I han es Zündhölzli azündt» schliesslich hätte Matter gar nie geschrieben – denn vermutlich würde er heute E-Zigaretten rauchen.
So muss man Stephan Eicher danke sagen, dass er die Lieder Matters in unveränderter Form am Leben erhält – und einem der schönsten Kapitel des Schweizer Kulturguts einen neuen (alten) Geist einhaucht. Sonst würden unsere Kinder vielleicht nie erfahren, welch sinnliche und geistreiche Texte schon vor sechs Jahrzehnten in der Schweizer Musik entstanden sind. Dem würde (vermutlich) auch jeder Eskimo beipflichten.
Die komplett unbeschwerten Zeiten sind vorbei. Die Macht des Antichristen nimmt zu.
Eskimo ist der Überbegriff für die Menschen in den nördlichsten Gebieten der Erde. Darunter gibt es zwei Hauptgruppen: Die Inuit leben im Norden Kanadas und auf der Insel Grönland, die Yupik leben im Norden Sibiriens und in Alaska. Inuit alleine grenzt die Yupik aus. Somit ist Eskimo korrekt.
Es ist das Ende aller Kunst, wenn man sie nur noch nach angeblich moralischen Kriterien beurteilt. Wobei: nicht aller Kunst, sondern authentischer und lebennaher und deshalb wahrer Kunst. Was hat dem woke und politisch korrekte „Kunst“ entgegenzuhalten? Man frage lieber nicht.