Der böseste, aber auch brillanteste aller Bonmot-Lieferanten, Karl Kraus, schrieb: «Der Zusammenstoss zwischen einer Wirklichkeit und einer Metapher ist immer eine Katastrophe.» Er meinte damit, dass die Metapher nicht hält, was sie für die Wirklichkeit versprechen soll. Schuld daran trägt allerdings weniger die Metapher als derjenige, der sie in die Welt gesetzt hat. CDU-Chef Friedrich Merz hat den Begriff Brandmauer aus der Fachterminologie des Brandschutzes entlehnt und als Bild der Abgrenzung zur AfD verwendet. Zurzeit stösst seine Metapher von der Brandmauer mit der Wirklichkeit hart zusammen – und beweist einmal mehr das uns umwabernde Politikergeschwätz. Ach, schützte vor diesem eine Brandmauer!

Die Brandmauer soll verhindern, dass ein Brand von einem Haus auf ein anderes übergreift. Sie muss nach dem EU-Klassifizierungssystem für Baustoffe (EN 13501-1) der Feuerwiderstandsklasse F90 entsprechen. Das heisst: Sie muss mindestens neunzig Minuten halten. In dieser Zeit gilt es, zu retten, was zu retten ist. Auch die vielbeschworene «Brandmauer gegen rechts» war als Metapher von Anbeginn nur temporär. Brandmauermaurer Merz bedachte dies bei seinem unbedarften Griff in die Sprachschatzkiste des Brandschutzes nicht.

«Marmor, Stein und Eisen bricht»: Der Schlager hätte Merz eine Warnung sein können. Nun, nach Ablauf ihrer Halbwertszeit, erodiert die Brandmauer: Sie wird porös, bröckelt, bekommt Risse; sie wird verschoben, geschliffen, eingerissen, niedergewalzt oder durchlöchert. Brandreden an einer Brandmauer sind eben für einen Redner brandgefährlich, wenn man nur ein Friedrich Merz in Berlin mit Ziel Bundeskanzler ist – und kein Siegfried am Walkürenfelsen mit Ziel Brünnhilde.

Dass Menschen (gerade auch als Politiker) zu viele Mauern und zu wenig Brücken bauen, darüber wird immer wieder gerne und weise räsoniert. Bei Merzens Brandmauer dürfen diese Gedanken nicht frei geäussert werden. Keine Brandmauerspechte mit Hämmerchen. Schon gar kein Präsident weit und breit, der ruft: «Mr Merz, tear down this firewall!»

Dieser Text erschien erstmals am 9. August 2023.