Als Normalsterblicher ist man sich ja oft nicht so sicher, was die Parlamentarier in Bern den lieben langen Tag machen. Diese Woche wurde es wieder einmal deutlich: Sie sprechen über die ganz wichtigen Dinge des Lebens – und beschliessen epochale Verbesserungen.
So reichte der Berner Mitte-Politiker Heinz Siegenthaler eine Motion ein, dass es in der Schweiz künftig einen zweiten Nationalfeiertag geben soll – den 12. September, den Gründungstag des Schweizer Bundesstaates im Jahr 1848.
Siegenthaler argumentiert historisch durchaus plausibel: «Die Inkraftsetzung der ersten Bundesverfassung ist ein einmaliges und in der Geschichte unseres Bundesstaates unverzichtbares Ereignis.» Den Nationalrat überzeugte dieses Votum. Er trat auf die Motion ein.
Ist nun der Ständerat ebenfalls dieser Meinung, müsste sich der Bundesrat um die Angelegenheit kümmern. Dieser ist aber allein aus volkswirtschaftlichen Gründen skeptisch.
Siegenthalers Vorstoss passt in den Zeitgeist – und zur Degradierung von alten Traditionen und Bräuchen. Mit einem zweiten Nationalfeiertag würde automatisch der 1. August entwertet. Da erinnert man sich an jene Kreise, die Wilhelm Tell am liebsten auf den ewigen Jagdgründen für Volkslegenden entsorgen würden. Schliesslich ist unser Nationalheld die Antithese des modernen Bürgers: Er ist ein alter weisser Mann, der (vermutlich) weder von Inklusion noch von Gendergleichheit je etwas gehört hatte.
Noch ist es aber nicht so weit, noch ist der zweite Nationalfeiertag erst ein Hirngespinst. Deshalb hier die Bitte nach Bern: Bitte kümmert euch um das Wohl des Volkes und um die echten Probleme unseres Landes.