Deutschland werde zum «Strombettler», titelt die Bild-Zeitung.

Grund: Die Bundesrepublik, einst ein bedeutender Strom-Exporteur in Europa, hat sich in den ersten sechs Monaten dieses Jahres zu einem Strom-Importeur gewandelt. Diese Entwicklung verdeutlicht eine Analyse der europäischen Strommarktspezialisten von Enappsys. Der Bericht vergleicht die Netto-Strom-Importe und -Exporte in Europa für das erste Halbjahr 2023.

Gemäss den Ergebnissen dieser Analyse ist Frankreich der grösste Stromexporteur mit einem Nettoexport von insgesamt 17,6 Terawattstunden (TWh). Schweden folgt auf Platz zwei mit einem Export von 14,6 TWh, während Spanien nach den ersten sechs Monaten des Jahres 2023 auf Platz drei landet (8,8 TWh) – und Deutschland somit vom Podium verdrängt.

Deutschland erlebte einen rasanten Absturz innerhalb dieser sechs Monate: Während der Netto-Stromexport in der zweiten Jahreshälfte 2022 noch bei 9,2 TWh lag, beträgt er nun lediglich 0,6 TWh. Ein bemerkenswerter Wechsel von einem Strom-Exporteur zu einem Strom-Importeur.

Die Ursache für diesen drastischen deutschen Abstieg, wie von den Experten von Enappsys festgestellt, liegt im Ausstieg aus der Kernkraft: «Diese Stilllegungen bedeuteten, dass Deutschland in Zeiten geringer erneuerbarer Stromerzeugung zusätzlichen Strom aus anderen Ländern beziehen musste», erklärte Experte Jean-Paul Harreman.

Wirtschaftsprofessor Jan Schnellenbach (50) von der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg betont, dass die Stromabhängigkeit aufgrund des europäischen Strommarkts nicht per se problematisch sei. Allerdings sieht er die Herausforderung darin, den Strompreis durch eine grössere Menge günstiger Angebote zu senken. «Und hier war es ein Fehler, die Kernkraftwerke abzuschalten. Diese haben Strom äusserst kostengünstig produziert.»

Weiterhin bleiben Italien, Grossbritannien und Ungarn die grössten Strom-Importeure in Europa.