Die Affäre Sperisen ist unendlich kompliziert, doch sie lässt sich auf eine einfache Formel reduzieren: Erwin Sperisen wurde in Genf für schuldig befunden, 2006 als politischer Chef der Polizei im fernen Guatemala nach einem Gefängnismassaker einen Kommandanten gedeckt zu haben, der rechtskräftig vom Mordvorwurf freigesprochen wurde.
Die Frage lautet demnach: Kann man einen Unschuldigen decken? Ist es die Aufgabe eines Polizeichefs, gegen einen Untergebenen vorzugehen, zumal die Staatsanwaltschaft bereits ermittelte? Darf er das überhaupt? Und wenn ja: Was hätte Sperisen konkret tun oder unterlassen sollen?
Der Gerichtshof in Strassburg hat diese Fragen leider auch nicht beantwortet. Doch er erklärte das Genfer Gericht, welches den kafkaesken Schuldspruch gefällt und Sperisen zu fünfzehn Jahre Gefängnis verurteilt hatte, für befangen. Das Bundesgericht ordnete deshalb eine Revision an.
Doch die Genfer Justiz sah keinen Bedarf, den komplexen Fall, der vor Unstimmigkeiten nachgerade strotzt, neu aufzurollen. Unter einer neuen Gerichtspräsidentin, die Staatsanwalt Yves Bertossa einst privat als Anwalt verteidigte. Aber das ist in der kleinen Genfer Welt kein Ausstandsgrund. Mit demonstrativem Desinteresse liess die Richterin die Parteien erneut antreten und ihre altbekannten Argumentarien herunterleiern. Wie gewohnt wurden sämtliche Zeugen- und Beweisanträge der Verteidigung abgeschmettert. Was nicht ins Bild passt, wird ignoriert. Und copy/paste.
Das am Donnerstag gefällte Urteil gleicht dem alten wie ein Ei dem andern. Mit ein paar Detailkorrekturen. Sperisen soll neben dem rechtkräftig freigesprochenen Kommandanten auch den rechtskräftig freigesprochen Gefängnischef und den rechtkräftig freigesprochenen Innenminister gedeckt haben. Die eingangs aufgeworfenen Fragen harren leider weiter einer Antwort.
Erwin Sperisen hat die Strafe längst abgesessen. Es geht nur noch um eine Entschädigung für das erlittene Unrecht, um Ehre. Und um Gesichtswahrung. Und damit weiter ans Bundesgericht.
Vor zwölf Jahren war die Genfer Politjustiz angetreten, den Guatemalteken am Exempel Sperisen zu demonstrieren, wie Justiz funktioniert. Wie immer das endgültige Urteil auch ausfallen mag – das Einzige, was die Affäre Sperisen offenbart hat, sind Abgründe im Schweizer Justizwesen.
In Zürich funktioniert die Justiz gleich. Alte, unbewiesene Vorwürfe bleiben bestehen, neue, entlastende Beweise werden ignoriert. Das vorab gefällte Urteil bleibt bestehen.
Der in der Schweiz zu 15 Jahren verurteilte Sperisen soll selbst nichts verbrochen, aber den rechtkräftig freigesprochenen Kommandanten, den rechtskräftig freigesprochen Gefängnischef und den rechtkräftig freigesprochenen Innenminister in einem 9'500 km entfernten Land gedeckt haben? Da muss man aber sehr kreativ gewesen sein, um dafür eine rechtliche Begründung zu finden. Was von Sperisen genau zu halten ist, das wissen wir nicht, aber das Vertrauen in den Rechtsstaat ist erschüttert.
Das Urteil gegen Erwin Sperisen wäre in einem funktionierenden Rechtstaat niemals zustande gekommen. Doch die Genfer Justiz lernt nicht dazu. Sie macht weiter, jenseits von Gut und Böse. Ich hoffe, dass wenigstens das Bundesgericht endlich einen Hauch von Rechtstaatlichkeit in unser Land zurück bringt. Doch allzu gross ist die Hoffnung nicht. Man denke bloss daran, wie das Bundesgericht die Verbrechen der Corona-Diktatur deckt, sämtlich Fakten konsequent ignorierend.