Star-Historiker Niall Ferguson bricht jetzt in einem Interview mit der NZZ eine Lanze für die eidgenössische Parteilosigkeit. Gefragt, ob es im neuen Kalten Krieg eine Rolle für neutrale Länder gebe, sagt er: «Ja, sogar eine grössere.»

Der Brite rechnet aufgrund des Ukraine-Konflikts mit einem neuen Kalten Krieg in Europa: «Die Schweiz ist gut positioniert; der kalte Krieg ist eine gute Nachricht für das Land. Der Franken wird profitieren, Schweizer Vermögenswerte werden als Absicherung dienen gegen die Gefahren in anderen Teilen der Welt. Auf der Liste der Nutzniesser dürfte die Schweiz ganz oben stehen», so Ferguson.

In der sich abzeichnenden Konfrontation der Grossmächte glaubt er, dass die Schweiz ihren Platz finden wird: «Weil China weniger furchteinflössend ist als die Sowjetunion, ist es für die USA schwieriger, ein breites Bündnis gegen China zu mobilisieren und die Europäer dazu zu bringen, sich auf einen Konflikt um Taiwan einzulassen. Das ist der Unterschied.»

Im ersten Kalten Krieg hätten sich die meisten Menschen auf eine Seite gestellt, weil sie nicht zu einem Südvietnam werden wollten. «Dieses Mal werden viele Länder in Europa, Asien und Lateinamerika keine Partei ergreifen», sagt Ferguson, der als einer der einflussreichsten Geschichtswissenschaftler der Gegenwart gilt.