Sydney Sweeney kann einem leidtun – auch wenn das nicht das erste Gefühl ist, das sich einem aufdrängt angesichts der jungen Frau mit den besten Brüsten im Showbusiness. Letztes Jahr erzählte sie der New York Post, wie «traumatisch» es gewesen sei, als sie diesen Superbusen entwickelt habe: «Ich hatte vor den anderen Mädchen schon Titten und fühlte mich deshalb ausgestossen.» Und sie klagt weiter, dass sie auf das Klischee der «grossbusigen Blondine» reduziert werde und man ihr schauspielerisches Talent übersehe. Das ist etwa so, als würde sich jemand die Beine zusammenbinden und dann den anderen vorwerfen, sie zwängen ihn, zu hüpfen. Denn Sweeney hat eine solide Karriere darauf aufgebaut, möglichst viel auszuziehen und über ihrem prächtigen Décolleté möglichst weidwund in die Kamera zu blicken, wodurch der Begriff «Trauerglocken» eine ganz neue Bedeutung erhalten hat.

Unweibliches Ideal

Würde sie auf den Werbefotos breit grinsen, würde dies sofort als «Schon mal solche Dinger gesehen?» gedeutet, und man wüsste, mit wem man es zu tun hat: einer durchaus guten Schauspielerin (für ihre Rollen in «Euphoria» und «The White Lotus» wurde sie zweimal für den Emmy nominiert), die dank ihrem Superkörper eine Menge Geld verdient hat mit Kampagnen für körperbetonte Mode wie Rihannas Savage-X-Fenty-Lingerie und Sweeneys eigene Bikinis.

Man kann verstehen, dass sie sich mit ihren Brüsten nicht, äh, brüsten will, denn in Modekreisen sind die zurzeit nicht gern gesehen: In den Nachrufen auf die jüngst verstorbene Jane Birkin wurde dieser immer wieder nachgesagt, wie viel «Klasse» sie gehabt habe, obschon sie nicht müde wurde, ihren knabenhaften Körper vor Kameras zu entblössen. Aber so ist das nun mal in der Modeindustrie: Da ist ein so unweibliches Schönheitsideal angesagt, dass manche Designer nicht darauf warten konnten, auf den Trans-Zug aufzuspringen. Wer will denn schon, dass seine schönen, klaren Linien von vulgären Titten ausgebeult werden, wenn er einen hübschen, schlanken Jungen in ein Kleid stecken kann?

Die mittlerweile 25-jährige Sweeney scheint eine seriöse, selbstsichere junge Frau zu sein. Sie hat verschiedene Sprachen gelernt und die Highschool mit Bestnoten abgeschlossen und an der Universität dann Entrepreneurship studiert, also wie man ein Unternehmen aufbaut und leitet. Nachdem sie in einem Independent-Film mitgespielt hatte, wollte sie Schauspielerin werden und überzeugte ihre Eltern, indem sie ihnen einen fünf Jahre umfassenden Businessplan vorlegte, worauf die Familie nach Los Angeles zog, als Sweeney vierzehn war.

Doch es ist und bleibt ein Jammer, dass ein junger Star heute die Zeit seiner grössten körperlichen Attraktivität nicht einfach geniessen kann, sondern uns vorheulen muss, wie traumatisch das Erblühen seiner Schönheit gewesen sei. Was waren das noch für Zeiten, als die junge Ursula Andress auf die Frage, warum sie sich für den Playboy ausgezogen habe, schlicht antwortete: «Weil ich schön bin.» In Anbetracht solch offensichtlicher Rücksichtslosigkeit gegenüber der «gelebten Realität» der Community der Flachbrüstigen würde sie für ihre stolze Aussage heute wohl gecancelt werden.

Aus dem Englischen von Thomas Bodmer

Dieser Text erschien erstmals am 23. August 2023.