Sport und Politik sollte man bekanntlich nicht vermischen. Sollte man nicht. Im deutschen Fussball blendete man diesen Grundsatz zuletzt grosszügig aus. Kapitänsbinden in den Regenbogenfarben, lila Trikots als Zeichen von Inklusion und Integration. Die linke Glückseligkeit nährte die Hoffnung auf ein neues Sommermärchen.

Doch nun hallt ein Aufschrei der Empörung durchs Land – von der Nordsee bis ins Schwabenland. Grund ist nicht das Ausscheiden der deutschen Elf gegen Spanien – sondern ein lautes Nebengeräusch während des Viertelfinals zwischen der Türkei und den Niederlanden in Berlin.

Aus Protest gegen die Sperre des Achtelfinal-Torschützen Merih Demiral, der seinen Treffer gegen Österreich mit dem faschistisch belasteten Wolfsgruss zelebriert hatte und dafür von der Uefa für zwei Partien gesperrt wurde, zeigten Tausende von türkischen Fans vor und während des Spiels gegen die Niederlande ebendiese Geste. Bereits ist in den deutschen Medien von der «Schande von Berlin» die Rede.

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) geht ins Pressing, fordert harte Konsequenzen – und setzt sich dem Verdacht der Doppelmoral aus. Einerseits war sie es, die mit dem Tragen einer Regenbogenbinde die politische Note ins Stadion trug, andererseits wäre sie dafür verantwortlich, dass gegen die rechte Szene türkischer Immigranten in Deutschland härter vorgegangen werden müsste. Doch dies tat sie bisher nicht.

Die Neue Zürcher Zeitung wirft einen differenzierten Blick auf die Ereignisse. In einem Kommentar schreibt sie: «Deutschland kann das Problem nicht mehr ignorieren. Das Land muss erkennen, dass es auf den Rechtsextremismus bisher mit von Multikulti und Einwanderungsromantik getrübter Brille geschaut hat.» Immer mehr Deutsche – so die NZZ weiter – seien vom Gefühl belastet, dass der Staat die Sicherheit und Rechtstaatlichkeit nicht mehr gewährleisten könne.

Dies müsste auch Innenministerin Faeser zu denken geben – und sie zu einer simplen, aber wichtigen Einsicht bringen: Bevor man türkische Symptome bekämpft, sollte man vor der eigenen Haustür wischen. Und zwar rigoros.