Drum links, zwei, drei! Drum links, zwei, drei!
Wo dein Platz, Genosse, ist!
Reih dich ein in die Arbeitereinheitsfront,
weil du auch ein Arbeiter bist.

Sie singen wieder, und sie marschieren wieder, die Freunde des «Einheitsfrontliedes» (Brecht/Eisler).

Weil sich die Genossen-Bosse der DAX-Unternehmen einfach nicht einreihen wollen, ist dieser Tage Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) im Handelsblatt mit den Vorständen, Chefs und Inhabern der deutschen Wirtschaft hart ins Gericht gegangen und fordert in ihrer parteipolitischen Not die Arbeitseinheitsfront gegen den missliebigen Mitbewerber von der AfD.

«Das Klima der Spaltung und der Ressentiments, das die AfD schürt, schreckt hochqualifizierte Arbeits- und Fachkräfte aus dem Ausland ab», so Faeser. Ohne Widerspruch gebe es eine weitere «schleichende Normalisierung» von rechtspopulistischen und rechtsextremistischen Positionen. «Daher ist es auch Sache der Wirtschaft, hier deutlich Haltung zu zeigen», sagte Faeser.

Das ist in verschiedener Hinsicht mehr als bemerkenswert. Dass sich Unternehmen und ihre Führungskräfte mit den Werten des Grundgesetzes und der freiheitlichen Demokratie identifizieren, kann und darf man voraussetzen, dass Mitglieder der Bundesregierung aber parteipolitische «Haltung» und Schulterschluss der Wirtschaft fordern, müsste jeden historisch Mindest-Bewanderten zum Frösteln bringen.

Die parteipolitische Indienstnahme, das Erzeugen von Bekenntniszwang, dieses «Sag mir, wo du stehst …», um ein anderes Propagandalied der untergegangenen DDR zu bemühen, sollten eigentlich aus dem Instrumentenkasten erwachsener Demokraten im 21. Jahrhundert restlos verschwunden sein. Sollten. Eigentlich. Regime, die ihren Entscheidern mehr oder weniger dezent klarmachen, was man von ihnen erwartet, werden ansonsten eher angeprangert als kopiert.

Nun mag es dem einen oder anderen Wirtschaftslenker ohnehin nicht ganz leichtfallen, sich an die Seite einer Regierung zu stellen, die ihnen gerade den wirtschaftlichen Boden unter den Füssen wegzieht. Es soll hier auch nicht um die Frage gehen, ob die inflationär wiederholte These von den wegen der AfD wegbleibenden Programmierern und Ingenieuren angesichts der massiven Zuwanderungszahlen plausibel und haltbar ist.

Man darf aber durchaus die Frage aufwerfen, ob es eine gute Idee vermeintlicher Demokraten ist, eine Partei mit einer noch hermetischeren «Einheitsfront» bekämpfen zu wollen, weil sie im politischen Alltag offenbar nicht auf andere Weise zu vertreiben ist. Der bisherige Einheitsklang aus Politik und Medien, die Ausgrenzung und das Verwehren von Öffentlichkeit und parlamentarischen Ämtern, haben beim Wähler bislang eher zu einer Art trotzigem Festhalten an der Unterstützung der AfD und noch tieferen Ablehnung ihrer etablierten Konkurrenz geführt.

Wer also im gleichen Atemzug die «Spaltung der Gesellschaft» beklagt, aber eine wie auch immer geartete Berücksichtigung des Wählerwillens kategorisch ausschliesst, muss sich nicht wundern, wenn er vom Gegenüber selbst als Spalter wahrgenommen wird. So gesehen ist es eher ein gutes Zeichen, wenn die Industriebosse diesmal der Verlockung widerstehen, billige Punkte bei der Politik sammeln zu wollen, wie sie es sonst gelegentlich tun.

Den Hellsichtigeren unter den Bossen dürfte zudem der Gedanke gekommen sein, dass die bundesweit 20 Prozent AfD-Unterstützer ja auch irgendwo arbeiten müssen. Womöglich im eigenen Unternehmen? Die eigenen Belegschaften in politische Lagerkämpfe zu treiben, könnte nicht allen als gute Idee erscheinen, die Wirtschaft vor den politischen Karren von Ampel und Innenministerin zu spannen, ist garantiert eine schlechte.

Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen. Sein neues Buch «Der Siegeszug der Populisten. Warum die etablierten Parteien die Bürger verloren haben. Analyse eines Demokratieversagens» erscheint im Herbst und kann schon jetzt vorbestellt werden.