Debatten-Blessuren müssen nicht sein. Wer bei Verbal-Gefechten ohne Kratzer und blaue Flecken durchkommen will, sollte am besten schon im Mutterbauch entsprechende Vorbereitungen treffen. Und wenn man alles richtig gemacht hat, sichert man sich dann per Geburtsort den entsprechenden Freifahrtsschein, alles, aber auch wirklich alles sagen zu können, und also auch das, was anderen unter sozialer Höchststrafe verwehrt wird.

Jenny Havemann beispielsweise hatte dieses pränatales Geschick: Die Bloggerin wurde in der Ukraine geboren. Dazu kommt: Sie ist Jüdin und lebt in Israel. Das ist fast schon, möchte man meinen, viel zu dick aufgetragen. Aber immerhin, es sichert ihr den maximalen Schutz, und möge sie sich noch so sehr argumentativ versteigen.

Bei «Anne Will» am Sonntagabend war nun zu hören, wie Havemann erklärte, warum viele Israelis in Bezug auf die Terrorangriffe der Hamas von einem «zweiten Holocaust» sprechen würden. Immerhin liess sich die Moderatorin kurz zu der Nachfrage «Ist das angemessen?» hinreissen. Danach aber konnte die Bloggerin auf dem wilden Meer der Abstrusitäten frei segeln.

So erklärte sie, es gebe zum Holocaust «wahnsinnig viele Parallelen». Und nannte diese beiden: dass sich Menschen unter den Leichen verstecken wollten und dass es ja gebrannt habe, und das erinnere an die Öfen – sie meinte damit jene in den KZ.

Hanebüchen. Historisch unlauter. Niemand intervenierte, auch nicht Talkgast Omid Nouripour.

Holocaust-Vergleiche sind in Deutschland tabu. Wer sich nur annähernd dahingehend äussert, wird flugs in die Nähe von Holocaust-Leugnern gerückt.

Die Hölle wäre los, würde sich das ein Richard David Precht erlauben. Aber der ist ohnehin nicht mehr legitimiert, zu diesem Thema zu sprechen, da er gemäss Leitmedien inzwischen als Antisemitismus-verdächtig gilt. Ausserdem ist er in Solingen geboren. Und hat damit beispielsweise Kiew um über 2000 Kilometer Luftlinie verfehlt.