Das Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) ist gefürchtet: Das Journalisten-Netzwerk, das mit Scoops für Furore sorgte, steht seit Jahren auf Kriegsfuss mit dem Schweizer Finanzplatz. Ob «Panama Papers», «Pandora Papers», «Suisse Secrets» oder «Cyprus Confidential»: OCCRP-Enthüllungen liessen Schweizer Banken immer wieder zittern.

Sie machten publik, wie korrupte ausländische Politiker, Autokraten oder Geheimdienstmitarbeiter hierzulande ihr Vermögen parkiert hatten. Schon mehrfach wurden der Organisation Kundendaten grosser Schweizer Banken zugespielt, die sie dann aber nur sehr selektiv veröffentlichte. Im Fokus standen meist Oligarchen oder Politiker aus Ländern, die Washington sanktioniert hat – darunter zum Beispiel solche aus Russland, Syrien oder dem Iran.

Inzwischen ist auch klar, wieso: Die Organisation hat seit ihrer Gründung über 47 Millionen Dollar von der US-Regierung erhalten. Das deckte Mediapart unlängst auf. Ein Grossteil des Geldes floss über die Behörde für Entwicklungszusammenarbeit USAID.

Besonders brisant: Auch die Schweiz finanzierte das OCCRP indirekt. Das bestätigt Michael Steiner, Mediensprecher des Eidgenössischen Aussendepartements (EDA). Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) habe zwischen 2014 und 2017 ein Projekt des rumänischen Journalism Development Network (JDN) unterstützt, das mit 800.000 Franken budgetiert war und mit dem das JDN unter anderem Aktivitäten des OCCRP in Rumänien unterstützt hatte. Dazu Steiner: «Ziel dieses Projektes war der Kampf gegen die organisierte Kriminalität und Korruption in Rumänien.»

Vor dem Hintergrund der Aktivitäten des OCCRP wirft die Unterstützung Berns so einige Fragen auf. War es doch just das OCCRP, das Banken wie die Credit Suisse (CS) regelrecht sturmreif schoss. Offenbar hat man in Ignazio Cassis’ EDA kein Problem damit, eine Organisation zu unterstützen, die den Schweizer Interessen diametral zuwiderläuft.

Drew Sullivan, ein früherer Rockwell-Angestellter und Mitgründer des Projektes, setzte das OCCRP wiederholt als Waffe gegen die Schweiz ein. Sullivan soll auch eine Schlüsselrolle bei der Interpretation der Daten für die «Suisse Secrets» gespielt haben.

Diese waren 2022 publik geworden, nachdem ein Whistleblower der Süddeutschen Zeitung offenbar geheime Daten zu mehr als 18.000 Konten von über 30.000 Kunden der CS überreicht hatte. Just dieser Sullivan sagte letzten Sommer im US-Kongress auch in der «Helsinki-Kommission» aus, die die Schweiz anprangerte, die Russland-Sanktionen zu umgehen.

Dort verglich er die Schweizer Banken mit Junkies, die von dreckigem Geld abhängig seien, und warf ihnen vor, massenhaft schmutzige Gelder von russischen Oligarchen zu verwalten. Er sprach von 400 Milliarden.

Ein weiterer bekannter Kronzeuge in der «Helsinki-Kommission» war US-Investor Bill Browder, der auch schon eng mit dem OCCRP zusammengespannt hatte. Genauso wie Sullivan steht Browder auf Kriegsfuss mit Bern. Er machte zuletzt Druck, ehemalige Bundesbeamte zu sanktionieren, weil sie Gelder von Russen nicht enteignet hatten (die Weltwoche berichtete).

Schweizer Medien haben dem US-Investor in den vergangenen Jahren wiederholt eine Plattform geboten. Nun üben sie sich gegenwärtig im Schweigen. Für die Tamedia-Blätter waren die OCCRP-Enthüllungen von Mediapart bisher kein Thema. Das Recherchedesk des Verlages hatte in der Vergangenheit wiederholt mit dem OCCRP zusammengearbeitet.

So etwa im Zuge der «Cyprus Confidential»-Leaks. Diese zeigten auf, wie der Journalist Hubert Seipel Gelder aus Moskau erhalten hatte. Dem Thema widmeten die Tamedia-Blätter viel Aufmerksamkeit. Doch jetzt ist alles anders: Journalisten, die von Washington bezahlt werden, sind für denselben Verlag kein Thema.