Der Begriff «liberal» kennt offenbar verschiedene Schattierungen. In der Chefetage der FDP des Kantons Zürich bedeutet er: Wer uns nicht nach dem Mund redet, wird kaltgestellt.

Das passiert aktuell Bettina Schweiger, Präsidentin der Sektion Bezirk Meilen. Laut einem E-Mail der FDP-Geschäftsführerin, das Inside Paradeplatz publiziert hat, darf sie nicht mehr an Sitzungen des Parteivorstands teilnehmen. Zudem wird die Geschäftsstelle «angehalten, keine weiteren Kontakte mit ihr zu unterhalten».

Womit hat sich Schweiger diesen Totalboykott verdient? Sie hat die Taktik bei der Besetzung der Nationalratsliste der Zürcher FDP kritisiert. Diese braucht eine zweite Bewerbungsrunde, um die Liste zu füllen, was laut der Sektionspräsidentin bei besserer Planung nicht nötig gewesen wäre.

Ihre Sünde: Sie hatte diese Kritik in einem Artikel in der NZZ öffentlich geäussert. Das war offenbar zu viel für FDP-Kantonalpräsident Hans-Jakob Boesch. Er sprach von «internen Anschwärzungen».

Statt sich auf die wichtigen Wahlen im Herbst vorzubereiten, übt sich die Zürcher FDP nun also in Kannibalismus und hinterlässt einen chaotischen Eindruck.

Ob sich der Parteivorstand bei diesem Vorgehen einig war oder ob es ein Alleingang des Kantonalpräsidenten mit seiner Geschäftsführerin Kathrin Puhan war, der Absenderin des E-Mails, ist offen.

Puhan selbst ist ohnehin eine schillernde Figur: Sie wechselte einst von der SP zur FDP und war schon bald danach die administrative Chefin der Kantonalpartei.