Nun auch das noch: Das renommierte Humboldt-Forum in Berlin inszeniert Udo Lindenbergs legendären Song «Sonderzug nach Pankow» (1983) mit einem Chororchester – doch die Bezeichnung «Oberindianer» (für den damaligen DDR-Parteivorsitzenden Erich Honecker) wird wegzensiert. Es darf nur «Oberiiiii» gesungen werden.
Alexander von Humboldt (1769 bis 1859) möge sich im Grabe wälzen. Der deutsche Reiseforscher war ein grosser Freund der Indianer, die ihn bei seinen ausgedehnten Expeditionen durch Mittel- und Südamerika führten und begleiteten.
Der Eiertanz um den Begriff «Indianer» ist lächerlich und geschichtsblind. Und er ist keineswegs eine deutsche Exklusivität. Die Stadt Zürich etwa hat ihr «Indianermuseum» bereits 2003 in Nonam umgetauft: «Nordamerika Native Museum». Eine Wortverkrüppelung, die in den Ohren schmerzt.
Gewiss, der Begriff Indianer fusst auf einem Irrtum. Kolumbus starb im Irrglauben, Indien entdeckt zu haben. Na und? Auch die Bezeichnung «Schweizer», die sich während des Schwabenkrieges (1499) etablierte, basiert auf einem Missverständnis. Schwyz war nur einer von damals zehn eidgenössischen Ständen. Niemandem käme es in den Sinn, «Schweizer» deshalb als diskriminierend zu geisseln.
Gewiss, das weitverbreitete Winnetou-Klischee hat mit den Indianern etwa so viel zu tun wie die Kuckucks-Uhren mit den Schweizern. Es ist schlimmstenfalls mit einem positiven Rassismus behaftet, aber sicher nicht abschätzig.
Gewiss, den Indianern ist es ergangen wie den Kelten in Europa. In Nordamerika fielen sie einer unkontrollierten Massenzuwanderung zum Opfer, die im 19. Jahrhunderts in eine systematische Vernichtung mündete. In Mexiko, Guatemala, Ecuador, Bolivien, Paraguay oder Peru (wo ich lebe) sind die grosse Mehrheit der Bevölkerung Mestizen. Das europäische und das indianische Erbe hat sich schon unter der spanischen Krone zu einer eigenständigen neuen Kultur vermischt, die sich nicht mehr auseinanderdividieren lässt. Die Rasse ist hier im Alltag (anders als im Norden) kaum ein Thema – und wenn, dann vor allem für Witze.
Man mag das bedauern, doch das Rad der Geschichte lässt sich nicht zurückdrehen. Das Unrecht der Urväter lässt sich auch nicht durch euphemistische Begriffe wie «First Nation», «Native American» oder «Indigene» aus der Welt schaffen.
Indígena wäre mit «Eingeborener» auf Deutsch zu übersetzten – und liegt nahe bei indigente (Landstreicher). Lasst die Indianer bitte einfach Indianer bleiben. Sie haben genug gelitten.
Es ist nicht entscheidend, was aus Dummheit verboten wird, sondern ob man mitmacht.
Das ist nicht geschichtsblind, das ist einfach nur doof. Zu wenig Intelligenz, wobei der Mangel sicher auch das Geschichtsbild umfasst, Aber es wäre völlig falsch, es darauf zu reduzieren. Es ist grundsätzliches Unverständnis, was andere Menschen mit Worten sagen wollen.
Wokeness schützt, bis man selber in den Fokus gerät. "Oberindianer" allerdings, das hätte man wohl sogar in der DDR sagen dürfen. Mal Sahra fragen. Bald werden solche Täter vor Gericht gestellt, wo sie widerrufen können. Unter Stalin (und Pol Pot) wurden sie allerdings eher erschossen.