Heute was Heiteres. Bei Gottfried Keller lese ich, dass nur Freisinnige wahre Männer seien. «Wer freisinnig ist, traut sich und der Welt etwas Gutes zu und weiss mannhaft von nichts anderm, als dass man hierfür einzustehen vermöge, während der Unfreisinn oder der Konservatismus auf Zaghaftigkeit und Beschränktheit gegründet ist», heisst es in «Frau Regel Amrain und ihr Jüngster» aus dem ersten Band der «Leute von Seldwyla».

Solch zaghaftes und beschränktes Verhalten lasse sich «schwer mit wahrer Männlichkeit vereinigen». Im Mittelalter, so Keller, habe nur derjenige für einen vollkommenen Helden und Rittersmann gegolten, der zugleich ein frommer Christ war, «denn im Christentum lag damals die Menschlichkeit und Aufklärung».

Heute hingegen können man sagen: «Sei einer so tapfer und resolut, als er wolle, wenn er nicht vermag, freisinnig zu sein, so ist er kein ganzer Mann.»

Keller war selbst freisinnig, aber eine Ehe blieb ihm verwehrt. Die wichtigsten Frauen in seinem Leben waren seine Mutter und seine Schwester. Allerdings finden sich grossartige und starke Frauenfiguren in seinem Werk, darunter Frau Amrain, die ihren jüngsten Sohn durch alle politischen und geschlechtlichen Stürme hindurch mit kluger und fester Hand zu lenken versucht.

Spinnt man Kellers Gedanken über wahre Männlichkeit im Spiegel der Zeit weiter, so lautete die Frage, wo wahre Männlichkeit nach dem Ende der freisinnigen Epoche zu suchen wäre. Bei Thierry Burkart und Ignazio Cassis wohl eher nicht.