Es gehört zur Logik parlamentarischer Demokratien, Machtkrisen besser auszusitzen, als aus ihnen Konsequenzen zu ziehen. Der König aller Aussitzer war der Machtvirtuose Helmut Kohl. Was hat ein schlechtes Wahlergebnis in Hessen mit (damals) Bonn zu tun? Und überhaupt: Des Volkes Wille ist launisch und wechselhaft. Profis der Macht wissen das.

So gesehen war die Ausrufung von Neuwahlen durch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nach der Pleite der EU-Wahlen unprofessionell hoch zehn. Und die Sache ist ja auch gewaltig in die Hosen gegangen. Andere Regierungschefs in der Krise wird das ein Lehre sein. Mit demokratischem Mut gewinnt man in der Demokratie keinen Blumentopf, mit Cleverness schon eher.

Ebenso einfältig wie Macrons machtpolitisches Harakiri – und noch dazu entlarvend – war jedoch der Kommentar der Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang, die sich beklagte, Macron hätte einen grossen Fehler mit der Ansetzung von Neuwahlen gemacht. Das sei kurzsichtig gewesen und hätte den Rechtsextremen zum Vorteil verholfen.

In normalen Zeiten hätte Frau Lang unter professionellen Gesichtspunkten natürlich recht. Wir leben aber nicht in normalen Zeiten. Die Epoche des Aussitzens scheint vorbei. In drei Jahren, wenn in Frankreich regulär gewählt worden wäre, hätte das Ergebnis kaum anders ausgesehen. Frankreich ist in einer fundamentalen Krise. Bedingt durch seine seit Jahrzehnten verfehlte Einwanderungs- und Wirtschaftspolitik.

Und hier liegt die eigentliche Dramatik: Die etablierten Parteien Europas scheinen immer noch nicht den Ernst der Lage begriffen zu haben. Das zeigen ihre Reaktionen auf den Erfolg des Rassemblement National oder der AfD. Ausgrenzen und diskreditieren – mehr fällt den Etablierten nicht ein.

Und eine Ricarda Lang setzt dem ganzen noch die Krone auf, indem sie den Wähler als unmündiges Kind darstellt, das man besser nicht zur falschen Zeit fragt. Mit dieser Reaktion zeigt sie wieder einmal, dass sie den Herausforderungen unserer Zeit nicht gewachsen ist. Den Schaden werden wir alle haben.