Darf man mit den Russen reden? Man muss. Laut Serbiens Präsident Aleksandar Vucic steht Europa ein grosser Krieg kurz bevor (Weltwoche Nr. 24/25). Eine solche Katastrophe gilt es um jeden Preis zu verhindern. Die Journalisten haben die Pflicht, allen Seiten zuzuhören. Dies gilt umso mehr für Schweizer Medien, wo die Neutralität ein Grundpfeiler des Landes ist – auch wenn derzeit viele Politiker daran rütteln. Chefredaktor und Verleger Roger Köppel reiste vor einem Jahr nach Moskau, um auch die russische Sicht auf den Ukraine-Krieg abzubilden. Er traf dort unter anderen den im Westen hochumstrittenen Wladimir Solowjow. Der Talkshow-Superstar stammt aus einer hochgebildeten russisch-jüdischen Familie, hat beste Uni-Abschlüsse und war sogar als Dozent in den USA tätig. Das damalige Gespräch war kurz, aber interessant. Solowjow, sechzig Jahre alt, machte auf Köppel einen blitzgescheiten Eindruck. Er hat deshalb dieser Tage ein weiteres Gespräch mit Solowjow über Skype geführt. Dessen Ansichten mögen manche Leser frappieren, vielleicht schockieren, aber es ist lohnenswert, zur Abwechslung auch mal einer Stimme zuzuhören, in der sich Millionen von Russen wiedererkennen. Im Krieg verbreiten alle Seiten Propaganda. Deshalb sollte man sich auch mit der Propaganda der anderen befassen, nicht nur mit der eigenen. Seite 20

Darf man sich über eine Katastrophe freuen? Man darf. Im Fall von Pompeji kann man gar nicht anders. Die Totenstadt hat auch fast 2000 Jahre nach dem infernalen Vulkanausbruch nichts von ihrer Faszination verloren. Im Gegenteil. Hier kann man die Antike fühlen, schmecken, riechen. Bei seinem Besuch zu früher Morgenstunde ist Urs Gehriger ihrem Zauber erlegen. «Pompeji ist eine Art Psychoanalyse der Antike», erklärte ihm Gabriel Zuchtriegel, der deutsche Direktor des Archäologieparks, der einen neuen Blick auf die alte Stadt wirft. «In Rom sehen wir den offiziellen Lebenslauf des römischen Imperiums, in Pompeji blicken wir in sein Unterbewusstsein.» Seite ​​​​​​​33

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