Die Leser haben kein Verständnis für die Freak-Show von Sänger Nemo am Zurich Film Festival (ZFF) mit Schokoladen-Schmuck und Gold-Ventilatoren. 99 Prozent aller Kommentare zu einem Video des Blicks kritisieren das Auffallen um jeden Preis. Mehrfach fällt das Adjektiv «dekadent».

Die Nemo-Freak-Show steht im Kontrast zu einem anderen Ereignis, mit dem das ZFF Schlagzeilen machte: Mit der Zensur des Anti-Kriegs-Films «Russians at War» der russischen Regisseurin Anastasia Trofimova. Nachdem Festivaldirektor Christian Jungen zuvor betont hatte, man beuge sich keiner Cancel-Culture und wolle Räume für Debatten schaffen, kam dann die Kehrtwende.

Offenbar gab es Druck der ukrainischen Regierung und der ukrainischen Botschaft in Bern. Fremde Staaten bestimmen mittlerweile, welche Filme ein privater Veranstalter in der Schweiz zeigen darf und welche nicht. Das ZFF gehört der Neuen Zürcher Zeitung.

Das macht den Fall umso brisanter. Es handelt sich also auch um einen Eingriff in die Medien- und Meinungsäusserungsfreiheit – ausgerechnet am Beispiel eines Leuchtturms liberaler Presse.

Die jüngsten rufschädigenden Aktionen sind umso bedauernswerter, als sich das ZFF ein gutes Standing erarbeitet hat. Direktor Jungen macht eigentlich einen guten Job. Insbesondere das Canceln des russischen Festivalbeitrags wird als Makel zurückbleiben, über den er sich selbst wohl am meisten ärgert.