Frankreich im Bürgerkrieg.

Mehr als 700 Festnahmen in der fünften Nacht in Folge, 45.000 Polizisten im Einsatz … Das entspricht der gesamten Mannstärke an Vollzugsbeamten der deutschen Bundespolizei. Europäisches Kernland im Ausnahmezustand, der Staatspräsident sagt seinen Deutschland-Besuch ab, weil es schwer zu vermitteln wäre, in Radebeuel bei Dresden mit Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) im Biergarten zu sitzen, während die Grande Nation im Chaos versinkt.

Die Franzosen haben ihre Revolution offenbar zum nationalen Kulturerbe erhoben und stürmen bei jeder Gelegenheit immer neue Bastillen, aus den Kniebundhosen (Sansculottes) sind Gelbwesten geworden, und beim Anlass ist man flexibel: Ganz gleich, ob Rentenreform, Tarifstreiks oder Polizeigewalt – Plündern, Niederbrennen und Prügeln geht immer.

Die Deutschen sind da von anderem Holz: «Wenn diese Deutschen einen Bahnhof stürmen wollen, kaufen die sich erst eine Bahnsteigkarte!», witzelte schon der blutige Lenin, und die grosse Revolution von 1989 war bei Lichte besehen auch eher ein defensiver Exodus, ein Weglaufen vor den Ketten als ein Sprengen derselben. Heute bleiben die Fensterscheiben in den deutschen Vororten heil, dafür werden Wahlzettel für die AfD zum demokratisch-geheimen Brandbrief an das Establishment.

Doch eines sollte auch Deutschland aus dem herüberflackernden Flammenschein der Nachbar-Banlieues lernen: Ungeregelte, unintegrierte Migration reichert sich mit Wut und Gewalt an, wie Uran in iranischen Zentrifugen. Berliner Silvesternächte in Neukölln und Kreuzberg senden brüderliche Kampfesgrüße nach Nanterre. Und Anlässe finden sich immer. Zur Not auch nichtige.

Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen. Sein neues Buch «Der Siegeszug der Populisten. Warum die etablierten Parteien die Bürger verloren haben. Analyse eines Demokratieversagens» erscheint im Herbst und kann schon jetzt vorbestellt werden.