Die linke Politikerin Sahra Wagenknecht hat folgende Rede letzten Samstag, am ersten Parteitag der neu gegründeten Partei Bündnis Sahra Wagenknecht, gehalten. Wir dokumentieren sie im Wortlaut.

Liebe Freundinnen und Freunde, etwas Neues zu beginnen, das Gesicht ganz vorn in den Wind zu halten, das erfordert Mut. Und ich denke, wir kennen sie alle, die Zweifel vor dem richtigen Weg. Die Frage, wie werden Freunde, Bekannte auf diesen Schritt reagieren, und auch die Sorge, ob wir die riesige Aufgabe, die jetzt vor uns steht, ob wir die wirklich bewältigen oder ob sie uns vielleicht auch überfordert.

Ihr habt die Entscheidung getroffen, deshalb seid ihr heute hier als Erstmitglieder des Bündnisses Sahra Wagenknecht, das es ohne euch nicht geben würde. Und darüber freue ich mich. Und ich danke euch, dass ihr den Mut dafür aufgebracht habt. Wir machen uns jetzt gemeinsam auf den Weg, die Politik in Deutschland zu verändern. Und wir tun das, weil wir spüren, da ist etwas am Kippen in unserer Gesellschaft.

Es gibt so viele Probleme, so viel Unsicherheit, aber auch so viel Empörung und Wut. Die Politik des Aussitzens und Wegmoderierens, der kleinen Kompromisse und der grossen Ignoranz, die wird wahrscheinlich so nicht weitergehen. Aber die Frage ist: Was kommt dann? Mündet der Umbruch in einen Aufbruch oder in die Katastrophe? Alles ist möglich und wir starten auch jetzt deshalb, weil wir nicht nur zuschauen, sondern weil wir eingreifen und handeln wollen, weil ab jetzt hängt es auch von uns ab, wie Deutschland in fünf oder zehn Jahren aussehen wird. Und ich denke, das ist ganz wichtig und es ist toll, dass ihr dabei seid.

Liebe Freundinnen und Freunde, uns eint die gemeinsame Sorge um die Zukunft, uns einen die programmatischen Ziele, die in unserem Programm formuliert sind. Aber wir sind auch sehr verschieden. Viele von uns haben sich über viele Jahre in der Linken engagiert, andere kommen aus anderen Parteien. Und wieder andere haben sich zum ersten Mal in ihrem Leben entschieden, politisch aktiv zu werden.

Unter uns sind Gewerkschafter, Betriebsräte und erfolgreiche Unternehmer, Krankenpfleger und Polizisten, Theologen und Atheisten, Grossstädter und Dorfbewohner. In einem Land, das sich immer mehr in Lager spaltet, in dem die einzelnen Milieus sich immer seltener begegnen, ist das keine Selbstverständlichkeit, sondern etwas ganz Besonderes und Wertvolles. Und wir werden auch nur erfolgreich sein, wenn wir diese unsere Unterschiedlichkeit als Gewinn begreifen.

Wenn wir Toleranz und Respekt nicht nur in der Gesellschaft einfordern, sondern auch hier in unserer Partei leben. Das muss unser Auftrag und das muss unser Ziel sein.

Liebe Freundinnen und Freunde, wir sind keine Linke 2.0. Und das muss auch für unseren Umgang miteinander gelten. Lasst uns eine Partei des Miteinanders werden und nicht eine Partei der Intrigen und des Postengeschachers wie alle anderen.

Und lasst uns Strukturen schaffen, in denen sich nicht die Rücksichtslosesten und Intriganten durchsetzen, sondern die Talentiertesten und Besten. Denn das wollen wir auch in der Gesellschaft. Und dann fangen wir bei uns an, das ist ganz wichtig, und das wird uns von allen anderen unterscheiden, wenn wir so sind.

Und deshalb bitte ich euch: Lasst uns pfleglich miteinander umgehen. Ich glaube, das ist ganz wichtig, dass wir das zu unserem Credo machen. Es ist unsere Verantwortung, die grossen Erwartungen, die Hoffnungen, die jetzt ganz viele Menschen auf uns setzen, die wir täglich erleben, wenn uns Menschen ansprechen, auf der Strasse, im Supermarkt. Lasst uns diese Hoffnung und diese Erwartungen nicht enttäuschen.

Das ist unsere grosse Verantwortung, die wir alle gemeinsam jetzt tragen müssen. Und unser Land braucht unbedingt einen politischen Neubeginn – für wirtschaftliche Vernunft statt Klientelpolitik, für soziale Gerechtigkeit statt einer immer wachsenden Ungerechtigkeit und Ungleichheit, für Frieden, für Entspannung statt neuer Rüstungswettläufe und immer mehr Krieg – und ja, auch für Meinungsfreiheit und Respekt gegenüber dem Andersdenkenden statt Cancel-Culture und einem übergriffigen politischen Autoritarismus, den wir in der Corona-Zeit in seiner krassesten Form erlebt haben, aber der ja heute auch nicht weg ist, sondern der das Meinungsspektrum immer weiter verengt. Und das machen wir nicht mit. Das wollen wir verändern. Und es ist wichtig, dass sich das ändert.

Immer mehr Menschen in unserem Land sind politisch heimatlos geworden, weil sie statt vernünftiger Entscheidungen eine Politik erleben, die keinen Plan und keine Antworten hat. Eine Politik, die sich nur noch in ihrer Blase bewegt und die Probleme, die die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land jeden Tag erleben, die diese Probleme nicht nur nicht löst, sondern offenkundig zum Teil noch nicht einmal kennt.

Amira hat ja das Beispiel vorhin genannt, der Fauxpas von Ricarda Lang, immerhin Vorsitzende einer Regierungspartei, bei der Abschätzung der deutschen Durchschnittsrente. Das ist doch das Sinnbild dieser Abgehobenheit. Wie soll jemand eine vernünftige Rentenpolitik machen, der noch nicht einmal weiss, welche Probleme die Millionen Rentnerinnen und Rentner in unserem Land überhaupt haben? Das ist doch absurd.

Und vermutlich denkt Robert Habeck auch, alle Menschen in Deutschland leben in modernen Niedrigenergie-Häusern oder in den schönen, topsanierten Altbaulofts wie seine grünen Freunde in den hochpreisigen Grossstadt-Quartieren. Und deshalb hielt er das für eine geniale Idee, ganz Deutschland eine Wärmepumpe für den Heizungskeller zu verordnen. So läuft Politik heute. Aber genau deswegen wenden sich immer mehr Menschen ab.

Oder der frühere Blackrock-Lobbyist Friedrich Merz, der im Privatflieger durch die Welt düst und ernsthaft glaubt, so lebt die deutsche Mittelschicht. Was ist daran noch irgendwie bürgernah oder geerdet? Das ist doch völlig absurd, was diese Leute machen.

Und vom Höfesterben hat die ganze Ampel-Riege offenbar auch noch nie irgendwas gehört. Davon, dass allein in den letzten zehn Jahren 40.000 Landwirtschaftsbetriebe in Deutschland aufgeben mussten, weil sie dem Doppeldruck nicht mehr standhalten konnten, der auf der einen Seite von mächtigen Supermarktketten und grossen Lebensmittelkonzerne ausgeübt wird und auf der anderen Seite von Billigimporten, die die Politik organisiert hat und mit immer neuen Freihandelsabkommen wie mit dem Mercosur immer weiter organisiert.

Offenbar haben die das überhaupt nicht auf dem Schirm, was die Landwirte in Deutschland für Probleme haben, und deswegen frage ich mich: In welchem Paralleluniversum müssen Politiker leben, die ausgerechnet dieser Branche jetzt das Stopfen ihrer Haushaltslöcher auferlegt? Das ist eine völlig falsche Politik. Und wir sagen ganz klar: Nein, diese Belastungen, die müssen komplett zurückgenommen werden. Die Belastungen für die Landwirte, die müssen komplett zurückgenommen werden, weil es so auf keinen Fall weitergehen kann.

Und wenn dann den Bauern die Hutschnur platzt und sie ihren Protest unüberhörbar auf die Strasse tragen, ja dann heisst es plötzlich: Oh, pfui, das ist ja von rechts unterwandert, weil man irgendwo neben einem Traktor oder hinter einem Misthaufen doch im Ernst einen Rechtsradikalen gesichtet hat. Es ist tatsächlich das Gleiche wie letztes Jahr. Amira hat es schon gesagt, als 50.000 Menschen vor dem Brandenburger Tor für Frieden in der Ukraine demonstriert haben und von Medien und Politik als Putin-nah, aber eben auch als rechts-offen und AfD-nah diffamiert wurden. So darf es doch nicht weitergehen mit den Debatten in unserem Land.

Ein Ergebnis dieser irren Debatte ist ja tatsächlich, dass die AfD heute als Friedenspartei gilt. Eine Partei, die den aktuellen Rekord-Rüstungsetat von 85 Milliarden Euro eher noch zu klein findet und deren verteidigungspolitischer Sprecher, das wissen leider die wenigsten, mit der Rüstungsindustrie wirtschaftlich verbandelt ist und deswegen um keinen Deut besser ist als die Rüstungslobbyistin Marie-Agnes Strack-Rheinmetall. Das ist doch alles eine Suppe. Das ist doch alles völlig falsch!

Aber das sind die Diskussionen, das sind die verrückten Diskussionen, die wir in unserem Land teilweise führen. Das Werben für Frieden – rechts, die Verteidigung der Bauernhöfe –rechts, die Kritik an Schulschliessungen und Konformitätsdruck in der Corona-Zeit – rechts, die Forderung nach Begrenzung der Zuwanderung und die Sorge vor islamistischen Parallelgesellschaften – rechts.

Und nachdem man den Leuten jahrelang eingehämmert hat, dass alles Vernünftige «rechts» sei, ja dann wundert man sich, wenn am Ende eine tatsächlich rechte Partei, eine Partei, die Rechtsextremisten und Nazis in ihren Reihen hat, wenn die am Ende aus so einer Debatte als Sieger hervorgeht, jetzt bei über 20 Prozent steht und im Osten auf die absolute Mehrheit hofft, Ja das ist doch nicht erstaunlich.

Aber es ist nicht das Ergebnis einer besonders genialen Politik in der AfD-Zentrale, sondern es ist das Ergebnis der falschen Politik im Berliner Regierungsbezirk. Das muss man auch immer wieder ganz deutlich sagen.

Und Frederica hat es vorhin schon angesprochen. Jetzt gehen also die Ampel-Politiker selbst auf die Strasse und demonstrieren heldenhaft gegen die Ergebnisse ihrer eigenen Politik. Was ist das für eine Heuchelei und Scheinheiligkeit?

Man muss ganz klar sagen: Wenn Sie die AfD wirklich schwächen wollen, bitte schön, da müssen Sie nicht demonstrieren, da müssen Sie endlich mal Ihre miserable Politik verändern. Sie haben es doch in der Hand. Da machen Sie es doch endlich mal! So kann es doch nicht weitergehen, wie es jetzt läuft.

Und ja, natürlich beteiligen sich auch viele, viele Menschen an den Demonstrationen, weil sie ehrlich Angst haben vor dem Erstarken der AfD. Und sie haben auch recht damit. Diese Angst habe ich auch, und ich glaube, wir alle hier, die wir hier im Saal sitzen. Aber man muss natürlich auch sagen: Wer die AfD wirklich schwächen will, der sollte auch für politische Forderungen demonstrieren.

Er sollte auch zum Beispiel für einen höheren Mindestlohn von wenigstens 14 Euro demonstrieren, weil der überfällig ist in unserem Land. Er sollte für bessere Renten demonstrieren, für ein Rentensystem wie in Österreich, wo die Durchschnittsrente ja tatsächlich bei 2000 Euro liegt, liebe Ricarda Lang. Das könnten wir hier haben. Da müssen Sie sich nur mal in Österreich das abgucken, was man dafür machen muss.

Und wer die AfD schwächen will, ja der sollte auch für bezahlbare Energie demonstrieren und gegen Wirtschaftssanktionen, die nicht Russland, sondern die deutsche Wirtschaft ruinieren. Er sollte demonstrieren für einen Mietendeckel und für Krankenhäuser ohne Renditedruck. Er sollte demonstrieren für Frieden, für ein Ende der Hochrüstung und am besten gleich für Neuwahlen und ein Ende der unsäglichen Ampel. Das alles fordert das BSW, dafür sind wir angetreten. Und dafür bräuchten wir eigentlich Massendemonstrationen.

Denn wir dürfen natürlich auch nicht vergessen: Auch wenn die Ampel sich ihren Titel als dümmste Regierung Europas jeden Tag aufs Neue verdient, weil sie unser Land in die Krise und schlimmstenfalls sogar in einen Krieg führt. Es geht um mehr als um die Ablösung einer unfähigen Regierung. Ein Friedrich Merz im Kanzleramt, der die Rente noch weiter kürzen und Taurus-Raketen an die Ukraine liefern will, damit Selenskyj demnächst mit deutschen Waffen sogar Moskau angreifen kann, ein solcher Friedrich Merz im Kanzleramt wäre ganz sicher nicht das kleinere Übel.

Und viele Fehlentwicklungen, deren Folgen wir heute spüren, die haben ja auch lange begonnen, bevor das Trio infernale aus Habeck, Baerbock und Lindner unter einem sprachlosen Kanzler mit lädiertem Erinnerungsvermögen die Geschäfte in Deutschland übernommen hat. Das geht doch viel, viel weiter zurück. Ja, es läuft nicht gut in unserem Land, das spüren die Menschen.

Und Veränderung beginnt auch damit, dass die wichtigen Fragen endlich einmal wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken. Auch dafür haben wir uns gegründet. Denn die Politik und auch das Debattenklima in unserem Land sind roh geworden, voller Verachtung gegenüber denen, die ganz unten stehen. Und da sind sich wieder alle von der Ampel bis zur AfD erschreckend einig. Natürlich verstehe ich, dass diejenigen, die jeden Morgen aufstehen und hart arbeiten, oder auch diejenigen, die für ihren Handwerksbetrieb, ihr Café oder ihre Bäckerei händeringend Personal suchen und keines finden, dass sie empört sind, wenn andere sich im Modell Bürgergeld plus Schwarzarbeit eingerichtet haben.

Es ist ein Problem, aber ein Problem haben wir auch, wenn in einem Land, in dem die einzige noch richtig schnell wachsende Branche die Tafeln sind, die mittlerweile über zwei Millionen Bedürftige versorgen, wenn in einem solchen Land nur noch über Sozialmissbrauch und nicht mehr über Armut geredet wird. Das ist doch ein wirklich gravierendes Problem. Wenn nicht mehr geredet wird über den 61-jährigen Gerüstbauer, der sich seine Knochen kaputtgearbeitet hat und einfach in seinem Job nicht mehr arbeiten kann und dann gnadenlos nach zwei Jahren Arbeitslosigkeit in die Armut stürzt, wenn nicht mehr geredet wird über die alleinerziehende Mutter, die schon deshalb kein Jobangebot annehmen kann, weil die Politik es bis heute nicht geschafft hat, flächendeckend für Ganztags-Kitaplätze zu sorgen.

Und wir alle kennen ja die Debatte über die angeblich mangelnde Bereitschaft Jüngerer, sich anzustrengen, und die Debatte über mehr Druck, der da nötig wäre. Aber vielleicht sollten wir auch mal über Motivation reden. Die Bundesrepublik ist einst mit dem Slogan «Wohlstand für alle» gestartet. Jeder, der sich anstrengt, sollte Aufstiegschancen und die Aussicht auf ein gutes Leben haben.

Diese Aufstiegschancen, die gibt es doch fast gar nicht mehr. Wer arm geboren ist, der bleibt fast immer arm. Das ist die Realität. Und dann wundert man sich, wenn junge Menschen, die schon in ihrer Kindheit immer nur verzichten mussten, die in maroden, heruntergekommenen Schulen lernen mussten, die ein Bildungssystem erlebt haben, das noch nicht mal in der Lage war, ihnen halbwegs korrekt Lesen, Schreiben und Rechnen beizubringen, wenn diese jungen Menschen mit wenig oder gar keiner Motivation ins Leben starten, ja das ist doch gar nicht verwunderlich, das liegt doch in dieser Ausgangslage begründet, und deswegen muss man diese Ausgangslage verändern und verbessern, und auch dafür treten wir an.

Und was gar nicht geht, wenn verwöhnte Jungpolitiker kommen, die trotz besserer Startchancen es oft auch nicht geschafft haben, wenigstens einen soliden Abschluss zu machen und die jetzt schon wieder – und das finde ich besonders perfide – das Geld für die Qualifizierung und Weiterbildung von Arbeitslosen kürzen, wenn diese Jungpolitiker uns dann den Wert von Fleiss und Anstrengung erklären, also das ist doch wirklich ein Hohn auch gegenüber den Betroffenen, aber auch gegenüber uns allen.

Dieselben Politiker übrigens, die sich als hochmoralische Gutmenschen inszenieren, die angeblich mit jedem im Käfig gehaltenen Huhn und mit jeder Kröte am Strassenrand leiden, aber die, wenn es darauf ankommt, nicht davor zurückschrecken, frierenden Familien schon wieder die Heizkosten zu erhöhen oder den schon seit der Corona-Zeit strauchelnden Gastwirt in die Pleite zu stürzen. Das ist doch die Doppelmoral, die wir überall erleben. Und das geht so nicht weiter.

Politiker, denen es so was von egal ist, wenn auf dem Land kein Bus mehr fährt oder auch noch die letzte Arztpraxis schliesst, aber die sich dann hochmoralisch über alte weisse Männer mokieren mit überholten Autos und überholten Ernährungsgewohnheiten, das ist doch die Diskrepanz zwischen dem aufgeblasenen Moralismus dieser angeblichen Fortschritts-Koalition und einer in der Realität zutiefst amoralischen und reaktionären Politik.

Das treibt die Leute um, und das treibt sie den Falschen in die Arme. Das wollen wir dringend verändern.

Und ja, wir brauchen Anstrengungen für eine umweltverträgliche und klimaneutrale Wirtschaft. Aber wir brauchen durchdachte Lösungen, und deswegen freue ich mich auch, dass wir so viel Kompetenz in unseren Reihen haben, auch bei dieser Frage. Wir brauchen durchdachte Lösungen und nicht eine Regierung, die Milliarden dafür investiert, von dem relativ umweltfreundlichen und klimafreundlichen Pipeline-Gas auf das extrem klima- und umweltfeindliche Fracking-Gas umzusteigen, das dann noch mit Schiffen über die halbe Welt transportiert wird, und die gleichzeitig es für eine gute Idee hält, russisches Öl in Zukunft möglichst CO2-intensiv und teuer über Indien zu importieren, weil wir ja die Guten sind. Was ist das für eine verrückte Politik? Das ist keine Klimapolitik, das ist das Gegenteil.

Eine Regierung, die mit höheren CO2-Preisen ihre Haushaltslöcher stopft und gleichzeitig alles dafür tut, dass die marode Bahn bloss keine gute und irgendwie akzeptable Alternative wird. Eine Regierung, die zuschaut, wie Zukunftstechnologien, die wir für die Klimawende dringend brauchen, wie die aus unserem Land abwandern, während sie gleichzeitig den Aktionären eines amerikanischen Halbleiter-Konzerns, der seine innovativste Zeit längst hinter sich hat, zehn Milliarden in den Rachen wirft. Wer soll so einer Regierung noch irgendetwas glauben?

Und ja, wir müssen wieder reden. Wir müssen wieder reden über gesellschaftliche Ungleichheit, weil das tut keiner über uns, über die Enteignung der Fleissigen. Seit drei Jahren sinkt die Kaufkraft der Löhne in Deutschland, und in vielen Branchen sinkt sie schon wesentlich länger. Es gibt immer mehr Berufe, die früher einen bescheidenen Wohlstand ermöglicht haben und in denen die Einkommen heute so sind, dass man mit ihnen nie die Chance auf ein halbwegs gutes Leben hat. Auf ein Mindestmass an sozialer Sicherheit, auf eine solide Familienplanung oder gar auf ein eigenes Häuschen oder eine eigene Wohnung. Und das muss sich doch wieder ändern in unserem Land. Und wir müssen reden über eine gespaltene Wirtschaft, wo der Mittelstand immer mehr unter Druck gerät, aber gleichzeitig, auch das gehört dazu, die top zehn der grössten Unternehmen in Deutschland in diesem Jahr mitten in der Krise mehr Dividenden ausschütten als je zuvor. Das ist doch völlig absurd, eine solche Entwicklung.

Deshalb fordern wir schärfere Kartellgesetze, auch gegen die Macht der Datenkraken aus Übersee und den Abbau der ganzen aberwitzigen Vorschriften und Auflagen, die eine ständig wachsende Berater-Industrie nähren und in den kleinen und mittleren Betrieben völlig sinnlos Kapazitäten binden, auch das muss sich ändern. Und wir müssen darüber reden, dass es kein Zufall ist, dass der Mix aus Steuersenkungen und Steuererhöhungen, den die Ampel den Bürgern in diesem Jahr zu Beginn des Jahres offeriert hat, dass der wieder mal die ärmeren und die untere Mitte massiv belastet, während die, die richtig viel verdienen, am Ende sogar noch mehr Geld in ihrem Geldbeutel haben. Es müsste doch gerade umgekehrt sein. Dafür setzen wir uns ein.

Und ja, ich denke, wir müssen wirklich auch noch einmal neu nachdenken und auch darüber reden, öffentlich auch in unserem Land, wie wir unsere Gesellschaft miteinander und unsere Wirtschaft gestalten wollen. Märkte und Wettbewerb, die sind ein gutes Instrument dafür, Unternehmen zur Innovation, Effizienz und Kundenorientierung anzuhalten. Aber das gilt nur da, wo Wettbewerb wirklich fair funktioniert. Wo einzelne Unternehmen so gross sind, dass sie Zulieferern und Kunden ihre Preise diktieren können, da funktioniert es eben nicht.

Oder da, wo es natürliche Monopole gibt, wie bei Strom, Energie und auch bei den Kommunikationsnetzen und bei den Gasnetzen, da funktioniert es nicht. Und wo es um existenzielle Bedürfnisse geht wie Wohnen, Gesundheit oder Bildung, da setzten Kommerz- und Rendite-Denken doch völlig falsche Anreize. Und das sehen wir am krassesten in unserem Gesundheitssystem.

Wir haben das zweitteuerste Gesundheitswesen der Welt, und trotzdem wartet ein Kassenpatient Monate auf einen Facharzttermin, während es kein anderes europäisches Land gibt, wo so viele Menschen an der Hüfte und am Knie operiert werden. Das ist aber nicht so, weil wir ein Volk von Hüftlahmen sind, sondern das ist so, weil wir den Krankenhäusern eingetrimmt haben, nicht zuerst zu fragen, was braucht der Kranke, sondern was bringt das meiste Geld. Ein Gesundheitssystem, das so funktioniert, ist krank, liebe Freunde und Freunde.

Und wollen wir wirklich in einer Gesellschaft leben, wo sich alles nur noch darum dreht, aus Geld mehr Geld zu machen? In der wenigen enorme Macht eingeräumt wird, sich zu Lasten aller anderen zu bereichern, in der der Ehrliche immer häufiger der Dumme ist?

Hat der Mensch nicht etwas Besseres verdient? Und ja, auch Krieg. Krieg ist für die, die über Kriege entscheiden – anders als für die, die unter dem Schrecken leiden – vor allem ein Geschäft. Da geht es um Rohstoffe, da geht es um Einflusssphären, und da geht es immer auch um Waffenverkäufe. Und ja, auch hier sind wir ja angeblich die Guten. Wenn unsere Aussenministerin mit erhobenem Zeigefinger durch die Welt reist und mal eben beiläufig vielleicht auch Russland den Krieg erklärt, da tut sie das ja immer im Namen einer «wertegeleiteten feministischen Aussenpolitik».

So wie einst am Hindukusch wird ja heute in der Ukraine unsere Freiheit verteidigt, und für unsere Freiheit sollen die Ukrainer weiter leiden und sterben. Und wir liefern ihnen die Waffen bis zum Sieg, an den nur leider selbst die ukrainischen Generäle nicht mehr glauben. Ich finde, das ist eine so unverantwortliche, menschenverachtende Politik. Dieser Krieg muss beendet werden, und zwar ganz schnell auf dem Verhandlungsweg. Und das wäre möglich, wenn man es wirklich wollte.

Ganz nebenbei: Dass in dem Land, das da heute angeblich so tapfer unsere Freiheit und unsere Werte verteidigt, in diesem Land ein Nazi-Kollaborateur wie Stepan Bandera, dessen Milizen am Holocaust beteiligt waren, der für die Morde an Tausenden Juden, Russen und Polen verantwortlich ist, dass in diesem Land ein solcher Mann als Nationalheld verehrt wird, Strassen und Plätze nach ihm benannt werden, ich finde es schon seltsam, dass diese wirkliche Rechtsoffenheit unsere grünen Moralapostel überhaupt nicht stört – auch das zeigt die Doppelmoral und Heuchelei ihrer Politik.

Offenbar werden unsere Werte ja inzwischen sogar in Saudi-Arabien verteidigt. Immerhin will unsere feministische Aussenpolitikerin jetzt diesem Regime, das Frauen zu Tode steinigt, das Oppositionelle köpft und in dem auch mal eben ein kritischer Journalist zersägt wird, Iris-Raketen und Eurofighter liefern.

Klar, die Raketen tragen immerhin den weiblichen Namen Iris. Also so viel Feminismus muss im Hause Baerbock offenbar sein.

Und wenn dann in den Rüstungs-Verträgen vielleicht sogar noch gegendert wird, dann ist die grüne Welt offenbar wieder in Ordnung, aber unsere Welt ist nicht in Ordnung. Und deswegen sagen wir nein zu Krieg und nein zu Waffenexporten in Kriegsgebiete! Das muss gestoppt werden!

Ich denke schon, um diesen Wahnsinn zu stoppen, dass das kriegstüchtige Deutschland in einer Welt voller Kriege jetzt auch militärisch wieder ganz vorn mitmischen will, schon um das zu stoppen, war es so wichtig, dass wir uns auf den Weg gemacht haben und dass wir uns weiter auf den Weg machen und dass ihr alle dabei seid, weil auch das ist unsere Aufgabe, dass diese Kriegspolitik aufhört, und das ist ein ganz wichtiger Punkt für unsere neue Partei, wo wir weiter uns engagieren werden.

Liebe Freundinnen und Freunde, wir haben Grosses vor für unser Land und für die Menschen, die grosse Erwartungen in uns setzen. Wir sind es ihnen schuldig, unsere Sache gut zu machen. Danke schön.

Die 3 Top-Kommentare zu "«Wer soll so einer Regierung noch irgendetwas glauben?»: Sahra Wagenknecht am ersten BSW-Parteitag über die «unsägliche» Ampel-Regierung, die AfD und das «kriegstüchtige Deutschland»"
  • herby51

    sie hätte eher zuerstmal nicht die AFD kritisieren sollen.Das wäre eine Chance gewesen eine andere Regierung in Deutschland zu etablieren.Links und Rechts habe teilweise auch gemeinsame Ideen.die man bei gemeinsamen Gesprächen auf einen Nenner gebracht hätte.Jetzt macht sie das Selbe wie die Ampel und die CDU.

  • reining

    Sie kann es einfach nicht lassen! Die AfD zu diffamieren! Stärneföifi! Sehr SCHADE!

  • onkel alex

    Recht hat sie. Die Ampel lügt und schadet. In voller Absicht ...