Iryna Wenediktowa, ukrainische Botschafterin in der Schweiz, ist in der Ukraine bekannt als scharfe Jägerin unliebsamer Inhalte (die Weltwoche berichtete). In der Schweiz führt sie sich gerade als oberste Schiedsrichterin über das helvetische Kinoprogramm auf.

Im Visier hat sie den Film «Russians at War». Der hätte eigentlich am Zurich Film Festival (ZFF) dreimal aufgeführt werden sollen. Doch dazu kommt es nicht.

Die Verantwortlichen des Festivals haben es mit der Angst zu tun bekommen. Massive Drohungen, ja gar Todesdrohungen sollen ausgesprochen worden sein.

Wie die Weltwoche zu Beginn dieser Woche in Erfahrung bringen konnte, hat die ukrainische Botschafterin direkt in Ignazio Cassis‘ Aussendepartement (EDA) gegen den Film lobbyiert.

«Das EDA wurde von der ukrainischen Botschaft im Zusammenhang mit der geplanten Vorführung von ‹Russians at War› am ZFF kontaktiert», sagt EDA-Mediensprecher Pierre-Alain Eltschinger.

Was eigentlich nur so viel heissen kann wie: Wenediktowa versuchte das EDA davon zu überzeugen, ebenfalls gegen «Russians at War» beim ZFF zu intervenieren.

Zumindest hier blieb sie aber erfolglos. Man habe «keine Stellung bezogen, da diese Veranstaltung nicht in die Zuständigkeit des EDA fällt», so Eltschinger. Protest hört sich anders an.

Im «Daily-Spezial»-Interview mit der Weltwoche berichtete Regisseurin Anastasia Trofimova, dass Botschafterin Wenediktowa direkt bei der ZFF-Spitze interveniert habe, um den Film zu streichen. Trofimova begleitete russische Soldaten mehr als ein halbes Jahr im Ukraine-Krieg. Ihr wird vorgeworfen, russische Propaganda zu betreiben.

Zum aggressiven Vorgehen der ukrainischen Botschafterin will das EDA sich nicht näher äussern. «Zu den Vorwürfen der Regisseurin gegen die ukrainische Botschafterin äussert sich das EDA nicht.»

Auch sonst schweigen fast alle Akteure. Konkrete Fragen werden nicht beantwortet. Die ZFF-Pressestelle hält bloss fest, dass man sich nicht auf Anraten der Polizei gegen eine Filmvorführung entschieden habe.

Eine entsprechende Aussage, welche Regisseurin Trofimova im Weltwoche-Interview getätigt hatte, sei falsch. Zur Entscheidung sei es nach Absprache mit Sicherheitsbeauftragten gekommen. Genaueres sagte das ZFF nicht.

Die Stadtpolizei Zürich dementiert ebenfalls, davon abgeraten zu haben, den Film auszustrahlen. Das Sicherheitsdepartement der Stadt Zürich sei nicht in die Entscheidung involviert gewesen, heisst es von der Pressestelle von Stadträtin und Polizeivorsteherin Karin Rykart.

Und was sagt Mario Fehrs kantonale Sicherheitsdirektion? Nichts. Medienanfragen blieben bis Montagabend unbeantwortet. Man merke: Da macht gerade ein Fall von Zensur am Zurich Film Festival Schule, der so ziemlich präzedenzlos ist. Verantwortlich ist jedoch niemand. In Kiew dürfte man sich ins Fäustchen lachen. Wer sich wie ein Lakai verhält, den kann man auch entsprechend behandeln.

Wie würde wohl die Ukraine reagieren, wenn der Schweizer Botschafter Félix Baumann der Selenskyj-Regierung künftig vorschreibt, wie das Kinoprogramm in der Stadt Kiew auszusehen hat?