Im Herbst 1980 wurde in Budapest das erste Einkaufszentrum Osteuropas eröffnet, das im US-Stil gebaut war, samt Plaza und riesigem Parking. Es hiess «Sugár». Auf Ungarisch bedeutet das «Strahl», doch die Anlehnung an den englischen sugar war gewollt. Die Shopping-Mall Sugár sollte Zucker für Ungarns Konsumenten sein.
In den Boutiquen und Läden gab es ein breites Angebot aus dem Westen: Jeans, Schallplatten, Parfüm, elektronische Geräte. Es war das bisher schönste Monument des Gulaschkommunismus.
Der Ausdruck «Gulaschkommunismus » stammt von Kremlchef Nikita Chruschtschow. Nachdem seine Panzer 1956 den ungarischen Aufstand plattgewalzt hatten, machte er später mit dem ungarischen Ministerpräsidenten János Kádár einen Deal. Kádár versicherte Moskau «die unverbrüchliche Freundschaft Ungarns mit der Sowjetunion», im Gegenzug bekam er wirtschaftliche Freiheiten, die in anderen kommunistischen Satellitenstaaten nicht erlaubt waren.
In Ungarn entstand dadurch so etwas wie eine Privatwirtschaft, wenngleich in bescheidenem Masse. Bauern konnten auf Märkten Lebensmittel verkaufen, es gab private Bäckereien, Einrichtungsgeschäfte und Bierstände. In den beiden grossen Städten Budapest und Debrecen gab es sogar ein paar Discos.
Ab den sechziger Jahren stieg der Lebensstandard in Ungarn deutlich. Die Nachbarn nannten das Land «die lustigste Baracke im sozialistischen Lager».
Der Gulaschkommunismus veränderte auch die politische Perspektive. Die Ungarn waren stets die am wenigsten linientreue Nation des Ostblocks. Es war darum nicht überraschend, dass der erste Schritt zur Öffnung in Ungarn stattfand.
Anfang Mai 1989 begannen ungarische Grenzsoldaten mit der Demontage des Zauns an der Grenze zu Österreich. Im Sommer 1989 durchtrennten die Aussenminister von Ungarn und Österreich vor den Kameras den Grenzzaun. Der Eiserne Vorhang war damit gefallen. Ungarn erlaubte dann auch 30 000 Urlaubern aus der DDR, über Österreich nach Deutschland auszureisen.
Ungarns Kommunismus war damit zu Ende. Das Gulasch hingegen blieb.