Zum hiesigen Saisonauftakt habe ich dieses Jahr zwei Plätze im Kanton Bern gespielt, den Golf & Country Club in Blumisberg und den Plyatz von Interlaken.

Was für ein Unterschied. Das Gelände in Interlaken ist flach wie eine Bratpfanne, man steht darum stets gerade, die Probleme ergeben sich vielmehr aus tückischen Wasserhindernissen und den alten Baumbeständen, die an diesem Tag wieder mal alle am falschen Ort stehen. Und der Blick in die Alpenwelt des Berner Oberlands ist formidabel.

In Blumisberg hingegen geht es ziemlich auf und ab, man steht mitunter mit dem Gewicht auf einem Bein, und man kämpft sich abwechselnd durch Waldschneisen und dann wieder über offene, frühere Weideflächen. Der Blick geht über die sanften Hügel des Voralpengebiets, und am Horizont erhebt sich in Blau- und Grüntönen der Jura.

Die beiden Plätze, beide Bijous ihrer Art, liegen eine knappe Stunde auseinander. Es sind zwei Welten.

 

Leben in Freiheit

Es gibt keine andere Sportart auf der Welt, die einen derartigen Reichtum an unterschiedlichen Spielplätzen zu bieten hat, wie Golf. Golf ist einzigartig, weil es die Sportart ist, wo Arenen und Stadien nicht bürokratisch reguliert, sondern völlig individuell gestaltet sind. Wenn wir etwas grosszügig sind, können wir allenfalls noch den Skirennsport derselben Kategorie hinzuzählen. Lauberhorn und Hahnenkamm sind ebenfalls sehr unterschiedliche Sportplätze – aber ganz vergleichbar mit Golf ist es doch nicht, wie wir noch sehen werden.

Beim Golf ist der Platz das Spektakel, nicht das Spiel.

Nehmen wir stattdessen die bedauernswerten Fussballer. Ein Fussballfeld misst immer 105 mal 68 Meter. Eine solche Normierung würden sich Golfer nie gefallen lassen.

Das Spielfeld in der Allianz-Arena in München, wo der FC Bayern spielt, ist 105 Meter lang und 68 Meter breit. Das Spielfeld im Wembley-Stadion in London, wo Englands Nationalelf spielt, ist 105 Meter lang und 68 Meter breit. Das Spielfeld im Olympiastadion in Rom, wo die AS Roma spielt, ist 105 Meter lang und 68 Meter breit. Und alle drei sind so langweilig gestaltet, dass es auf dem Platz nicht einmal Bäume, Teiche und Bunker hat.

Weil die Plätze alle so langweilig sind, müssen die Fussballspieler für das Spektakel sorgen. Tagaus, tagein rennen sie mit ihrem Ball auf ihren 105 mal 68 Meter grossen Abstellflächen herum und gehen sich zur Gaudi des Publikums an die Gurgel. Es spielt keine Rolle, ob sie in München, in London oder in Rom spielen. Immer 105 mal 68 Meter. Sie leben wie in Gefangenschaft.

Wir Golfspieler hingegen leben in Freiheit. Wenn wir Golfer jeweils in München, London oder Rom spielen, ist das jedes Mal ein Aha-Erlebnis. Alle drei Städte haben Golfplätze, die näher bei der City liegen als die Fussballarenen.

Mitten in München gibt es etwa den Münchener Golfclub e. V.: Als ältester Platz Bayerns hat er weit über hundert Jahre auf dem Buckel, neun Loch in einem grossartigen Park gleich neben dem Zoo, gerade mal zehn Minuten vom Stadtzentrum entfernt.

 

38 000-fach individuell gestaltet

In Rom gibt es mitten in der Stadt den Circolo del Golf Acquasanta, zu Deutsch: Golfzirkel Weihwasser. Er ist der älteste Platz Italiens, gesäumt von Pinien und Zypressen, mit Blick auf römische Ruinen.

In London gibt es im Stadtgebiet sogar fast ein Dutzend Golfplätze, darunter den famosen Klub von Royal Wimbledon, gebaut 1864 vom genialen Willie Park jr., ein hügeliger Parkland Course, onduliert wie eine Dauerwelle und berüchtigt für seine trickreichen Greens.

Rund 38 000 Golfplätze gibt es weltweit, sie sind 38 000-fach individuell gestaltet, mal mit Wasserhindernissen, mal mit Bunkern, mal mit Blick auf römische Ruinen, mal auf den Indischen Ozean, mal auf die Alpen, mal auf die Wüste oder auf die Hochhäuser des Finanzdistrikts. Beim Golf ist der Platz das Spektakel, nicht der Sport.

Golfer sind die grössten Naturliebhaber unter den Sportskameraden. Dafür legen Golfer enorme Wege zurück, wie uns der Blick in jeden Golf-Reisekatalog beweist. Einmal Emirates zu spielen, führt sie nach Dubai, einmal Gleneagles zu spielen, bringt sie nach Schottland, einmal Gut Kaden zu spielen, treibt sie nach Hamburg, der San Domenico Club lockt sie nach Apulien und der Platz von Valderrama nach Andalusien.

Auch mittelmässige Golfer reisen weit, nur um von einem speziellen Platz erzählen zu können. Und natürlich geben sie dann ein bisschen Gas, wenn sie davon erzählen. «Weisst du», sagen sie dann, «ich fand Gleneagles im Vergleich mit Valderrama fast etwas zu leicht.»

Ja, wir Golfer sind privilegiert. Niemand sonst hat derart spektakuläre und imposante Sportplätze wie wir. Sie liegen an den grossartigsten Ecken dieser Erde, von Irland bis nach Kenia und von den Bahamas bis nach Singapur.

Und damit wären wir doch noch beim entscheidenden Unterschied zwischen den Golfspielern und den Skifahrern, den zwei einzigen Sportlern, deren Stadien in der unbegrenzten Naturarena liegen: Von Irland bis nach Kenia und von den Bahamas bis nach Singapur gibt es keine Skipisten. Gras ist universaler als Schnee.

Nun braucht es mitunter allerdings auch kleine Ausrede, um all die grossartigen Golfplätze dieses Planeten hinunterzuspielen. Man kann im Bekanntenkreis ja nicht gut sagen, an Pfingsten fliege man kurz nach Singapur, weil man schon lange mal den Laguna National Golf & Country Club, den Sentosa Golf Club und den Tanah Merah Country Club spielen wollte. Und da komme ein verlängertes Wochenende gerade recht.

Weil ein normaler Bekanntenkreis zu 90 Prozent aus Nichtgolfern besteht, denken nur 10 Prozent, das sei nun eine hervorragende Idee. Die andern denken, man habe den Verstand verloren.

Überhaupt kein Problem hingegen hat man im Bekanntenkreis, wenn man sagt, man fliege über Pfingsten nach Ägypten, um die Pyramiden von Gizeh anzusehen. Da erntet man als kulturbeflissener Mitbürger hohe Zustimmung.

Damit wären wir bei einem der besten Tricks, den Golfer kennen und mit dem sie sich vor den üblichen Verdächtigungen schützen. Es ist der Kulturtrick.

 

Der Kulturtrick

Der kulturbeflissene Golfer fährt unter dem Applaus seines Bekanntenkreises also Richtung Gizeh, wo die Pyramiden stehen, das einzige der sieben antiken Weltwunder, das bis heute überlebte. Die Pyramiden sind ein Par 3: Cheops, Chephren und Mykerinos. Nun will es der Zufall, dass ein paar Minuten entfernt das Dreamland Resort liegt, 36 Loch; und wie der Zufall spielt, gibt es noch weitere vier Plätze innerhalb einer halben Autostunde.

Ähnlich kulturverliebt verhält sich der Golfer auf seiner Reise nach Angkor Wat in Kambodscha, die grösste Tempelanlage der Welt. Gebaut hat sie im 12. Jahrhundert Suryavarman II. aus dem Volk der Khmer. Gleich um die Ecke liegt das Angkor Golf Resort. Das ist ein ganz spezieller Golfplatz, gebaut vom ehemaligen Open-Gewinner Nick Faldo. Faldo hat den Platz dem Tempelbezirk von Angkor Wat nachempfunden und ihn ringsum mit breiten Wassergräben umgeben. Eine Viertelstunde mit dem Auto, und es warten rund um Siem Reap zwei weitere Plätze der Extraklasse.

Kultur steht auch im Mittelpunkt, wenn der Golfer zum Taj Mahal im indischen Agra aufbricht. 20 000 Handwerker und tausend Elefanten haben dieses gewaltige indische Mausoleum im 17. Jahrhundert im Auftrag von Grossmogul Schah Jahan gebaut. Nur einen Schlag mit dem Driver entfernt liegt der Agra Golf Course. Er hat zwar bloss neun Loch, aber die Nähe zum Weltkulturerbe ist umwerfend. Agra, das kommt hinzu, erreicht man von Neu Delhi mit dem Auto in etwa drei Stunden. Auf dem Weg dahin kommt man südlich der Innenstadt an etwa zehn Golfplätzen vorbei, darunter an so famosen Plätzen wie dem Qutab Golf Course.

 

Windsor Castle, die Alhambra

Und vergessen wir Kulturreisende nicht, wenn sie nach Granada in Spanien aufbrechen, um sich der Alhambra zu widmen. Die schönste Stadtburg der Welt liegt hoch oben auf dem Hügel in Granada. Die imposante Festung ist in maurischem Stil gehalten, Paläste, Kirchen und Klöster ergänzen das Monument. Zehn Minuten von der Alhambra entfernt liegt der Club de Golf Granada. Der Blick vom Fairway ist fantastisch, auf der einen Seite auf die Alhambra, auf der anderen Seite in die Sierra Nevada. Und es trifft sich gut, dass sie bei Granada noch einen zweiten Platz haben und man in fünfzig Minuten unten an der Küste im Golfparadies der Costa del Sol sich vom Kulturstress erholen kann.

Der Agra Golf Course hat zwar bloss neun Loch, aber die Nähe zum Taj Mahal ist umwerfend. Kulturreisen können auch in Richtung Norden reizvoll sein, wenn wir zum Beispiel in unserem Bekanntenkreis erzählen, wir würden das ehrwürdige Windsor Castle in Berkshire visitieren. Windsor ist über tausend Jahre alt und das älteste bewohnte Schloss der Welt. Etwa zehn englische Könige liegen in der Kirche begraben. Königin Elisabeth verbrachte oft ihr Wochenende hier. Gleich neben Schloss Windsor liegt der ehrwürdige Datchet Golf Club von 1890. Ein Dutzend weiterer Spitzenplätze finden sich innerhalb von zwanzig Minuten Fahrdistanz. Darunter sind etwa der St George’s Hill Golf Club und natürlich der umwerfende Sunningdale Golf Club. Bobby Jones, der grösste Golfer aller Zeiten, hat über Sunningdale einmal gesagt: «Ich wünsche mir nur eines, ich möchte diesen Platz mit nach Hause nehmen.»

Nicht zu empfehlen sind hingegen renommierte Kulturstätten wie die Inka-Ruinen von Machu Picchu in den peruanischen Anden und die Maya-Stadt Tikal im Norden Guatemalas. Dort gibt es nichts. Wenn man zum Beispiel auf der Pyramide von Tikal steht und ins Land hinausblickt, sieht man keine einzige Fahne und kein einziges Fairway. Man sieht nur Regenwald. Das passt nicht in unser Schema.

Denn wenn wir nach Hause in unseren Bekanntenkreis zurückkehren, dann wollen wir schliesslich erzählen, wie kulturbeflissen wir durch die Welt gereist sind.