Knallerbsen statt knallhart. «Wollen», «brauchen» und «müssen» sind Alarmworte für jeden Politik-Beobachter. Beschlüsse mit diesen Schlüsselworten sind regelmässig bestenfalls Beschreibungen der Wirklichkeit mit gezielter Anscheinserweckung von Tatkraft. Wer will/braucht/muss, der wünscht sich was, zeigt, dass er die Notwendigkeiten verstanden hat, und verspricht gar nichts.

Jüngstes Beispiel: der Migrationsgipfel der Ministerpräsidenten-Konferenz in Frankfurt/Main. Bargeld-Stopp für Migranten und Arbeitspflicht für Flüchtlinge «sollen» kommen. Wann konkret wer was tut? Fehlanzeige. Und überhaupt ändern solche Massnahmen nicht das Geringste am Zustrom, sondern managen lediglich das Dasein nach Ankunft. Das Gleiche gilt für die Forderung der Länder nach mehr Geld (Pro-Kopf-Pauschale von 10.500 Euro je untergebrachtem Migranten). Buchhaltung statt Begrenzung.

Der Rest ist eine Wünsch-dir-was-Liste: schnellere Asylverfahren, die nur etwas brächten, wenn danach konsequent abgeschoben würde, was man sich ebenfalls per «knallhart»-Beschluss (Bild) wünscht, ohne auch nur einen konkreten Schritt dahin. Stationäre Grenzkontrollen, die sinnvoll sind, wenn man bereit ist, auch zurückzuweisen, anstatt «Asyl»-Sagende per Polizeibus zur nächsten Aufnahmeeinrichtung zu fahren. Und der bessere Schutz der EU-Aussengrenzen ging ebenfalls noch immer im Brüsseler Palaver unter, weil europäische Grossplayer wie Luxemburg schon Zäune für eine unmenschliche Zumutung halten. Jeder Kleingartenverein ist da weiter als der Europäische Rat.

Der Migrationsforscher Ruud Koopmans hat einmal gesagt, Deutschland wolle das Überlaufen der Badewanne verhindern, ohne das Wasser zuzudrehen. Das trifft es auf den Kopf. Und Verhandeln ist eben noch lange nicht Handeln.

Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen. Sein neues Buch «Der Siegeszug der Populisten. Warum die etablierten Parteien die Bürger verloren haben. Analyse eines Demokratieversagens» erscheint im Herbst und kann schon jetzt vorbestellt werden.