Am Anfang war Salz das Problem. Salz ist zwar lebenswichtig und wird von Menschen seit Tausenden von Jahren gezielt abgebaut. Aber wie bei vielen guten Dingen sei zu viel davon ungesund, findet die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Zusammen mit anderen Organisationen möchte sie den Salzkonsum pro Kopf und Tag grundsätzlich auf «höchstens 5 Gramm» beschränken. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) rapportiert für die Schweiz jedoch einen Tageskonsum von 9 Gramm und «setzt sich für eine Reduktion des Salzkonsums ein», wie es auf der Website des Amtes heisst.

Fleischersatz von Insekten

Was allerdings als allgemeingültiger Weg zu einem gesünderen Leben vorgegeben wird, liegt letztlich nicht nur im Ermessen des Einzelnen, sondern ist wissenschaftlich durchaus umstritten. Ob man seine Pastasauce mit mehr oder weniger Salz würzt, ist eigentlich Geschmackssache. Allerdings spielt es aus medizinischer Sicht auch eine Rolle, wer überhaupt den Salzstreuer zur Hand nimmt – zum Beispiel, ob es sich um gesunde oder kranke Erwachsene handelt. Je nachdem variiert der Salzbedarf oder ändert sich der Einfluss von Salz auf den Körper. Warum die WHO und nationale Behörden für alle Leute die gleiche Salzmenge als Idealmass vorgeben, obwohl das eine höchst individuelle Frage ist, bleibt ungeklärt.

Erste Versuche des BLV, mit der Industrie Salzmengen zu vereinbaren, sind zwar gescheitert. Jetzt aber prüft das Amt regulatorische Massnahmen, um ein Ziel zu erreichen, dessen Wirksamkeit gar nicht geklärt ist. Unter Forschern wird zumindest darüber diskutiert, wie gross der Effekt der Salzreduktion auf den Blutdruck beispielsweise ist. Nicht alle Menschen haben den gleich hohen Salzbedarf oder nehmen Salz gleich effektiv auf.

Auf das Salz folgte der Zucker: In Kindergärten der Stadt Zürich wird den Klassen schon seit Jahren vorgeschrieben, was in der Znüni-Box drin sein darf und was nicht. Werden darin süsse Riegel entdeckt, wird ein Kind schon mal abgemahnt. Auch hier wird nicht das Individuum gesehen, sondern ein übergeordnetes, für alle gleichermassen geltendes Ziel vorgegeben: Zucker muss reduziert werden, so haben es staatliche und paranationale Gremien entschieden. Dass der Energieverbrauch und -bedarf bei Menschen stark variiert, darf dabei ebenso wenig eine Rolle spielen wie persönliche Vorlieben und Abneigungen.

Künftig solle die empfohlene Tagesdosis Fleisch in Deutschland bei zehn Gramm liegen.

Irgendwann kamen dieselben Gremien auf die bestechende Idee, uns Insekten als Fleischersatz schmackhaft zu machen. In der Europäischen Union sind seit Juni 2021 getrocknete Mehlkäfer im Larvenstadium für den Verzehr zugelassen. Im November 2021 kam die Wanderheuschrecke (gefroren, getrocknet, pulverförmig) auf die Liste der «neuartigen Lebensmittel», es folgte die Hausgrille im Februar 2022, und zuletzt wurde im Januar dieses Jahres der Buffalowurm, auch bekannt als Getreideschimmelkäfer, zum Verzehr freigegeben.

Während etwa in Mexiko knusprige Heuschrecken ein populärer Snack sind, greifen Deutsche und Schweizer offenbar immer noch lieber zu weniger exotischen Knabbereien. Weil der Erfolg also ausbleibt, entscheidet sich die Politik für die nächste Stufe der Eskalation im Bereich der Essensvorschriften. «Die Transformation des gesamten Ernährungssystems hin zu einer pflanzenbetonten Ernährungsweise ist die wichtigste Stellschraube im Ernährungsbereich, um unsere nationalen und internationalen Klima-, Biodiversitäts- und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen», heisst es in einem Eckpunktepapier des deutschen Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Gemäss der Website Pleiteticker.de wurden Vertretern der Lebensmittelindustrie bereits konkrete Zahlen genannt. Künftig solle die empfohlene Tagesdosis Fleisch in Deutschland bei zehn Gramm liegen, so viel wie eine Currywurst pro Monat.

Verheerende Lockdowns

Weil die Schweizer Politik – wie im Fall der Energiewende – dazu tendiert, zweifelhafte Ideen aus Deutschland im Zeitlupentempo und trotz offensichtlichem Misserfolg ebenfalls zu übernehmen, sollten nicht nur Genussmenschen den Vorgängen erhöhte Aufmerksamkeit schenken. Bereits hat ein Gremium von über vierzig Wissenschaftlern vorgeschlagen, Fleisch-Aktionen in Schweizer Supermärkten zu verbieten. Bei all diesen Massnahmen und Plänen handelt es sich letztlich um einen Angriff auf das Essen und die persönliche Lebensweise der Bürgerinnen und Bürger mit zumindest zweifelhafter demokratischer Legitimation. In den vergangenen Corona-Jahren erreichte der ausufernde Kindermädchenstaat seinen vorläufigen Höhepunkt, als Behörden den Anschein erweckten, sie könnten die Verantwortung für die Gesundheit der Bevölkerung übernehmen.

Dies allerdings ist ebenso unmöglich, wie es in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat nicht Aufgabe der Behörden ist, die Ernährungsgewohnheiten der Leute zu regulieren. Nachdem trotz Impfungen, verheerenden Lockdowns und Masken in allen Lebenslagen am Ende praktisch jeder, meist auch mehrfach, mit Covid-19 infiziert worden ist, sind auch die Eingriffe im Lebensmittelregal nicht nur anmassend, sondern aus praktischer Sicht oft einfach überflüssig.

Der Lebensmittelmarkt befriedigt ganz selbstverständlich eine Nachfrage, ganz ohne staatliches Zutun

In Deutschland beispielsweise sinkt der Fleischkonsum bereits stark. «Je Person seien im Jahr 2022 noch 52 Kilogramm Fleisch verzehrt worden, rund 4,2 Kilogramm weniger als im Vorjahr. Das geht aus vorläufigen Zahlen des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft (BZL) hervor. Dies sei der niedrigste Stand seit Beginn der Berechnungen im Jahr 1989», schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung zu diesem Thema. Einer der Gründe sei möglicherweise der Trend zu einer pflanzenbasierten Ernährung.

Bei der Schweizer Sportartikelfirma On in Zürich-West wird die Firmenkantine «Roots» heute schon vollständig vegan geführt, Küchenchef Raphael Wittwer veredelt Gemüse zu Currys oder Eintöpfen, am Buffet gibt es eine kreative Auswahl an Salaten. Der Trend zu Gemüse ist auch in der Spitzengastronomie zu beobachten, in mehrgängigen Menüs ist es kein Aufreger mehr, wenn vegetarische Gerichte Fisch oder Fleisch ersetzen, friedliche Koexistenz ist selbstverständlich.

In den meisten Fine-Dining-Lokalen der Schweiz gibt es vegetarische – teilweise auch vegane – Menüs, und selbst im früheren Königreich der foie gras, bei unseren Nachbarn im Westen, ist diese Entwicklung längst sichtbar. Küchen-Weltstar Alain Ducasse hat schon vor Jahren für mehr Gemüse, Getreide und Fisch statt Fleisch plädiert, im Elsass serviert der gebürtige Österreicher Paul Stradner im Zwei-Sterne-Restaurant «Villa René Lalique» seinen (französischen) Gästen grundsätzlich mindestens einen vegetarischen Gang im Menü.

Staatsrezept für Jogurt

In New York wiederum hat der 46-jährige Schweizer Daniel Humm im vergangenen Jahr Kulinarikgeschichte geschrieben: Sein 2017 zum besten Restaurant der Welt gewähltes «Eleven Madison Park» (EMP) ist das erste Lokal überhaupt, das mit komplett pflanzenbasierter Küche die Höchstbewertung von drei Sternen des «Guide Michelin» erhalten hat. Der weltweit tätige, renommierte Gourmetführer aus Frankreich gibt damit auch einen deutlichen Hinweis auf eine Richtungsänderung in der Entwicklung der Haute Cuisine.

Nur sollte niemand in diese Richtung gehen müssen, der das nicht will. Wer in Seidentofu mit leicht pochierten und eingelegten Tomaten sowie Kombu-Algen nicht die Erfüllung seines Traums vom guten Essen findet, der muss beim «EMP» nur über die Strasse gehen. Im idyllischen Madison Square Park gegenüber dem Restaurant findet sich eine Filiale der Kette «Shake Shack», wo es laut Meinung vieler New Yorker die besten Hamburger der Stadt gibt.

Und weshalb mit obrigkeitsstaatlichen Eingriffen etwas gelenkt werden soll, was sich ohnehin schon durch die gesellschaftliche Entwicklung in die gleiche Richtung bewegt, ist eines der ungelösten Rätsel, das uns der sich ausbreitende Nanny-Staat aufgibt. Eine ähnliche Entwicklung wie der Trend zur pflanzenbasierten Ernährung ist auch beim Zuckerkonsum zu beobachten. Die Staaten möchten die Lebensmittelindustrie dazu bringen, den Zuckergehalt in Rezepturen für Jogurts, Cerealien und Süssgetränke zu senken.

2015 haben verschiedene Unternehmen – darunter der Getränkegigant Coca-Cola – unter der Führung von Bundesrat Alain Berset die «Erklärung von Mailand» unterzeichnet. Die angeschlossenen Firmen verpflichten sich dabei freiwillig, den Zuckergehalt in den von ihnen produzierten Lebensmitteln zu reduzieren. Im Forschungszentrum des Weltkonzerns Coca-Cola in Brüssel allerdings berichtet man bei einem Besuch vergangene Woche davon, dass über 40 Prozent der verkauften Getränke des weltweiten Marktleaders bereits heute schon vollständig ohne Zucker auskommen. Jüngere Konsumenten verlangten dazu immer häufiger nach weniger süssen Eistees oder mit Fruchtaromen und Vitaminen angereicherten Wassergetränken, die ebenfalls mit sehr wenig Zucker auskommen.

Das Geschäftsmodell des schwedischen Süssgetränkeanbieters und Coca-Cola-Konkurrenten Nocco beruht sogar auf einem komplett zuckerfreien Angebot. Nocco bedeutet nichts anderes als «No Carbs Company» (Keine-Kohlenhydrate-Firma), die funktionalen Getränke in bunt-fruchtigen Geschmacksrichtungen wie «Mango del Sol» oder «Pfirsich» sind mit Sucralose gesüsst und mit Vitaminen sowie Aminosäuren angereichert. Sie bedienen eine stark steigende Nachfrage eines breiten Publikums nach gesunder Ernährung mit weniger Zucker und Fleisch und mit funktionalem Nutzen.

Anders gesagt: Der Lebensmittelmarkt befriedigt ganz selbstverständlich eine Nachfrage, die ganz ohne staatliches Zutun bereits existiert und sogar steigt.